Neilsche Parabel

Neilsche Parabeln für verschiedene Werte von a.

Die Neil’sche Parabel (nach dem englischen Mathematiker William Neile benannt) oder semikubische Parabel ist eine spezielle ebene algebraische Kurve, die durch eine Gleichung der Form

beschrieben werden kann. Auflösen nach y ergibt die explizite Form

die Anlass für die Bezeichnung semikubische Parabel liefert.

(Eine gewöhnliche Parabel kann durch eine Gleichung {\displaystyle y=ax^{2}} beschrieben werden.)

Löst man (A) nach x auf, so erhält man die Gleichung

Mit Hilfe der ersten Gleichung erkennt man, dass

eine Parameterdarstellung der Neilschen Parabel ist.

William Neile hatte erstmals die Bogenlänge dieser Kurve berechnet, die sog. Rektifikation, und dies 1657 bekannt gemacht. Aufgrund der Probleme bei der Rektifizierung von Ellipsen und Parabeln vermutete man zu dieser Zeit, dass der Kreis und die Gerade die einzigen rektifizierbaren algebraischen Kurven seien.

Die Neil’sche Parabel ist rational, es existiert also eine rationale Abbildung mit einer inversen rationalen Abbildung, die die Neil'sche Parabel auf die projektive Gerade abbildet.

Eigenschaften einer Neilschen Parabel

Ähnlichkeit

Beweis: Die Ähnlichkeitsabbildung {\displaystyle (x,y)\rightarrow (a^{2}x,a^{2}y)} (Streckung am Ursprung) führt die Neilsche Parabel {\displaystyle (t^{2},at^{3})} in die Kurve {\displaystyle ((at)^{2},(at)^{3})=(u^{2},u^{3})} mit {\displaystyle u=at} über.

Singularität

Der Beweis folgt aus dem Tangentenvektor {\displaystyle (2t,3t^{2})^{T}}. Nur für t=0 ergibt sich der Nullvektor.

Neilsche Parabel: Tangente

Tangenten

Für die Neilsche Einheitsparabel {\displaystyle \;y=\pm x^{\frac {3}{2}}\;} ergibt sich durch Differentiation die Gleichung der Tangente in einem Punkt (x_{0},y_{0}) des oberen Astes:

Diese Tangente schneidet die Kurve in genau einem weiteren Punkt des unteren Astes mit den Koordinaten

(Beim Nachrechnen sollte man berücksichtigen, dass {\displaystyle (x_{0},y_{0})} ein doppelter Schnittpunkt der Tangente mit der Kurve ist.)

Bogenlänge

Um die Bogenlänge einer parametrisierten Kurve (x(t),y(t)) zu bestimmen, muss man das unbestimmte Integral {\displaystyle \int {\sqrt {x'(t)^{2}+y'(t)^{2}}}\;dt} lösen. Für die Neilsche Parabel {\displaystyle (t^{2},at^{3}),\;0\leq t\leq b\;,} ist

{\displaystyle \int _{0}^{b}{\sqrt {x'(t)^{2}+y'(t)^{2}}}\;dt=\int _{0}^{b}t{\sqrt {4+9a^{2}t^{2}}}\;dt=\cdots ={\Big [}{\frac {1}{27a^{2}}}(4+9a^{2}t^{2})^{\frac {3}{2}}{\Big ]}_{0}^{b}\;.}

(Das Integral lässt sich mit Hilfe der Substitution {\displaystyle u=4+9a^{2}t^{2}} lösen.)

Beispiel: Für a=1 (Neilsche Einheitsparabel) und der oberen Grenze b=2, d.h. bis zum Punkt {\displaystyle (4,8)}, ist die Länge {\displaystyle 9{,}073}.

Evolute der Einheitsparabel

Polarkoordinaten

Um die Darstellung der Neilschen Parabel {\displaystyle (t^{2},at^{3})} in Polarkoordinaten zu finden, schneidet man die Ursprungsgerade {\displaystyle y=mx} mit der Kurve. Für {\displaystyle m\neq 0} gibt es einen vom Nullpunkt (Spitze) verschiedenen Punkt: {\displaystyle \left({\frac {m^{2}}{a^{2}}},{\frac {m^{3}}{a^{2}}}\right)}. Der Abstand dieses Punktes zum Nullpunkt ist {\displaystyle {\frac {m^{2}}{a^{2}}}{\sqrt {1+m^{2}}}}. Mit {\displaystyle m=\tan \varphi } und {\displaystyle \sec ^{2}\varphi =1+\tan ^{2}\varphi } ergibt sich

Neilsche Parabel und kubische Parabel (grün)

Projektive Äquivalenz zur kubischen Parabel

Bildet man die Neilsche Einheitsparabel (t^2,t^3) mit der projektiven Abbildung {\displaystyle (x,y)\rightarrow ({\tfrac {x}{y}},{\tfrac {1}{y}})} (involutorische Perspektivität mit der Achse {\displaystyle y=1} und Zentrum (0,-1) ) ab, so erhält man die Kurve {\displaystyle \left({\frac {1}{t}},{\frac {1}{t^{3}}}\right)}, also die kubische Parabel {\displaystyle y=x^{3}}. Die Spitze (Nullpunkt) der Neilschen Parabel wird mit dem Fernpunkt der y-Achse vertauscht.

Diese Eigenschaft lässt sich auch an der Darstellung der Neilschen Parabel in homogenen Koordinaten erkennen: Ersetzt man in (A) {\displaystyle x={\tfrac {x_{1}}{x_{3}}},\;y={\tfrac {x_{2}}{x_{3}}}} (die Ferngerade hat die Gleichung x_{3}=0) und multipliziert mit {\displaystyle x_{3}^{3}} erhält man die Kurvengleichung

Wählt man nun die Gerade {\displaystyle x_{\color {red}2}=0} als Ferngerade und setzt {\displaystyle x={\tfrac {x_{1}}{x_{2}}},\;y={\tfrac {x_{3}}{x_{2}}}} erhält man die (affine) Kurve {\displaystyle y=x^{3}\;.}

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.09. 2021