Kurve (Mathematik)

In der Mathematik ist eine Kurve (von lateinisch curvus „gebogen, gekrümmt“) ein eindimensionales Objekt. Im Gegensatz etwa zu einer Geraden muss eine Kurve grundsätzlich keinen geraden, sondern kann vielmehr jeden beliebigen Verlauf annehmen.

Eindimensional bedeutet dabei informell, dass man sich auf der Kurve nur in eine Richtung (bzw. in die Gegenrichtung) bewegen kann. Ob die Kurve in der zweidimensionalen Ebene liegt („ebene Kurve“) oder in einem höherdimensionalen Raum (siehe Raumkurve), ist in diesem begrifflichen Zusammenhang unerheblich.

Je nach Teilgebiet der Mathematik gibt es unterschiedliche Präzisierungen dieser Beschreibung.

Parameterdarstellungen

Hauptartikel: Weg (Mathematik)

Eine Kurve kann als das Bild eines Weges definiert werden. Ein Weg ist (abweichend von der Umgangssprache) eine stetige Abbildung von einem Intervall in den betrachteten Raum, also z.B. in die euklidische Ebene \mathbb {R} ^{2}.

kubische Kurve mit einem Doppelpunkt. t → (t2 − 1, t · (t2 − 1)) bzw. y2 = x2(x + 1)

Beispiele:

{\displaystyle {[0,2\pi [}\to \mathbb {R} ^{2},\quad t\mapsto (\cos t,\sin t)}
beschreibt den Einheitskreis in der Ebene.
\R\to\R^2,\quad t\mapsto\big(t^2-1,t(t^2-1)\big)
beschreibt eine Kurve mit einem einfachen Doppelpunkt bei (0,0), entsprechend den Parameterwerten t=1 und t=-1.

Gelegentlich, insbesondere bei historischen Bezeichnungen, wird zwischen Weg und Kurve nicht unterschieden. So ist die interessante Struktur bei der Hilbert-Kurve der Weg; das Bild dieses Weges ist das Einheitsquadrat, besitzt also keinerlei fraktale Struktur mehr.

Durch die Parameterdarstellung erhält die Kurve einen Richtungssinn in der Richtung des wachsenden Parameters.>

Gleichungsdarstellungen

Hauptartikel: Implizite Kurve

Eine Kurve kann auch durch eine oder mehrere Gleichungen in den Koordinaten beschrieben werden. Beispiele dafür sind wieder die Bilder der beiden durch die obigen Parameterdarstellungen gegebenen Kurven:

x^2+y^2=1
beschreibt den Einheitskreis in der Ebene.
y^2=x^2(x+1)
beschreibt die oben in Parameterdarstellung angegebene Kurve mit Doppelpunkt.

Ist die Gleichung wie hier durch ein Polynom gegeben, nennt man die Kurve algebraisch.

Funktionsgraphen

Hauptartikel: Funktionsgraph

Funktionsgraphen sind ein Spezialfall beider oben angegebenen Formen: Der Graph einer Funktion

f\colon D\to\R,\quad x\mapsto f(x)

kann entweder als Parameterdarstellung

D\to\R^2,\quad t\mapsto(t,f(t))

oder als Gleichung

\Gamma_f = \{(x,y)\in\R^2\mid y=f(x)\}

angegeben werden.

Wird in der Schulmathematik von Kurvendiskussion gesprochen, so meint man üblicherweise nur diesen Spezialfall.

Differenzierbare Kurven, Krümmung

Sei [a,b]\subset\R ein Intervall und c\colon [a,b]\to\R^n eine reguläre Kurve, d.h. |c'(x)|\ne 0 für alle x\in(a,b). Die Länge der Kurve ist

l=\int_a^b |c'(t)|\,dt

Die Funktion

x\mapsto\int_a^x |c'(t)|\,dt

ist ein Diffeomorphismus [a,b]\to[0,l], und die Verkettung von c mit dem inversen Diffeomorphismus liefert eine neue Kurve \tilde c\colon [0,l]\to\R^n mit |{\tilde c}'(x)|=1 für alle x\in(0,l). Man sagt: \tilde c ist nach der Bogenlänge parametrisiert.

Sei [a,b]\subset\R ein Intervall und c\colon [a,b]\to\R^n eine nach der Bogenlänge parametrisierte Kurve. Die Krümmung von c an der Stelle s ist definiert als \kappa(s)=|c''(s)|. Für ebene Kurven kann man die Krümmung noch mit einem Vorzeichen versehen: Ist J die Drehung um 90°, dann ist \kappa(s) festgelegt durch c''(s)=\kappa(s)\cdot Jc'(s). Positive Krümmung entspricht Linkskurven, negative Rechtskurven.

Geschlossene Kurven

Sei c\colon [0,1]\to\R^2 eine ebene Kurve. Sie heißt geschlossen, wenn c(0)=c(1), und einfach geschlossen, wenn zusätzlich c auf [0,1) injektiv ist. Der Jordansche Kurvensatz besagt, dass eine einfach geschlossene Kurve die Ebene in einen beschränkten und einen unbeschränkten Teil zerlegt. Ist c eine geschlossene Kurve mit c(t)\ne(0,0) für alle t\in[0,1], kann man der Kurve eine Umlaufzahl zuordnen, die angibt, wie oft die Kurve um den Nullpunkt herumläuft.

Glatten geschlossenen Kurven kann man eine weitere Zahl zuordnen, die Tangentenumlaufzahl, die für eine nach der Bogenläge parametrisierte Kurve c\colon [0,l]\to\R^2 durch

\frac{1}{2\pi}\int_0^l \kappa(t)\,dt

gegeben ist. Der Umlaufsatz von Heinz Hopf besagt, dass eine einfache geschlossene Kurve Tangentenumlaufzahl 1 oder -1 hat.

Sei allgemein X ein topologischer Raum. Statt von geschlossenen Wegen c\colon [0,1]\to X mit c(0)=c(1) spricht man auch von Schleifen mit Basispunkt c(0). Weil der Quotientenraum [0,1]/\{0,1\} homöomorph zum Einheitskreis S^{1} ist, identifiziert man Schleifen mit stetigen Abbildungen S^1\to X. Zwei Schleifen c_1,c_2 mit Basispunkt x heißen homotop, wenn man sie unter Beibehaltung des Basispunkts stetig ineinander deformieren kann, d.h. wenn es eine stetige Abbildung H\colon [0,1]^2\to X mit H(s,0)=c_1(s), H(s,1)=c_2(s) für alle s und H(0,t)=H(1,t)=x für alle t gilt. Die Äquivalenzklassen homotoper Schleifen bilden eine Gruppe, die Fundamentalgruppe von X. Ist X=\R^2-\{0\}, dann ist die Fundamentalgruppe über die Windungszahl isomorph zu \mathbb {Z} .

Raumkurven

Sei [a,b]\subset\R ein Intervall und c\colon [a,b]\to\R^3 eine nach der Bogenlänge parametrisierte Kurve. Die folgenden Bezeichnungen sind Standard:

\begin{align} t(s) &= c'(s) \\ n(s) &= \frac{t'(s)}{|t'(s)|} \\ b(s) &= t(s) \times n(s) \end{align}

(definiert, wann immer t'(s)\ne 0). t(s) ist der Tangentialvektor, n(s) der Normalenvektor und b(s) der Binormalenvektor, das Tripel (t,n,b) heißt begleitendes Dreibein. Die Krümmung ist \kappa(s)=|t'(s)|=|c''(s)|, die Windung \tau(s) definiert durch b'(s)=-\tau(s) n(s). Es gelten die frenetschen Formeln:

\begin{matrix} t' & = & & \kappa n \\ n' & = & -\kappa t & + & \tau b \\ b' & = & & -\tau n \end{matrix}

Der Hauptsatz der lokalen Kurventheorie besagt, dass man eine Kurve aus Krümmung und Windung rekonstruieren kann: Sind glatte Funktionen \kappa,\tau\colon [0,l]\to\R mit \kappa(s)>0 für alle s\in[0,l] (der Wert 0 ist für \kappa also nicht erlaubt), so gibt es bis auf Bewegungen genau eine entsprechende Kurve.

Die von je zwei der drei Vektoren t, n oder b aufgespannten Ebenen durch den Kurvenpunkt tragen besondere Namen:

Kurven als eigenständige Objekte

Kurven ohne umgebenden Raum sind in der Differentialgeometrie relativ uninteressant, weil jede eindimensionale Mannigfaltigkeit diffeomorph zur reellen Geraden \mathbb {R} oder zur Einheitskreislinie S^{1} ist. Auch Eigenschaften wie die Krümmung einer Kurve sind intrinsisch nicht feststellbar.

In der algebraischen Geometrie und damit zusammenhängend in der komplexen Analysis versteht man unter „Kurven“ in der Regel eindimensionale komplexe Mannigfaltigkeiten, oft auch als Riemannsche Flächen bezeichnet. Diese Kurven sind eigenständige Studienobjekte, das prominenteste Beispiel sind die elliptischen Kurven. Siehe Kurve (algebraische Geometrie)

Historisches

Das erste Buch der Elemente von Euklid begann mit der Definition „Ein Punkt ist, was keine Teile hat. Eine Kurve ist eine Länge ohne Breite.“

Diese Definition lässt sich heute nicht mehr aufrechterhalten, denn es gibt zum Beispiel Peano-Kurven, d.h. stetige surjektive Abbildungen f\colon \mathbb{R} \to \mathbb{R} ^{2}, die die gesamte Ebene ausfüllen. Andererseits folgt aus dem Lemma von Sard, dass jede differenzierbare Kurve den Flächeninhalt null, also tatsächlich wie von Euklid gefordert „keine Breite“ hat.

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 18.06. 2021