Casimir-Effekt

Illustration der Berechnung der Casimir-Kraft auf zwei parallele Platten unter der Annahme hypothetischer Vakuumfluktuationen. Dieses Bild veranschaulicht nicht die Van-der-Waals-Wechselwirkung, welche die eigentliche Ursache der Kraft ist.

Der Casimir-Effekt der Quantenfeldtheorie ist ein quantenphysikalischer Effekt, der bewirkt, dass auf zwei parallele, leitfähige Platten im Vakuum eine Kraft wirkt, die beide zusammendrückt. Der Effekt wurde 1948 durch Hendrik Casimir vorhergesagt und auch nach ihm benannt. 1956 erfolgte die experimentelle Bestätigung durch Boris Wladimirowitsch Derjagin, I. I. Abrikosowa und Jewgeni Michailowitsch Lifschitz in der Sowjetunion und 1958 durch Marcus Sparnaay von den Philips Forschungslaboratorien in Eindhoven.

Wissenschaftler untersuchen die Möglichkeiten, den Casimir-Effekt im Bereich der Nanotechnologie für Mikrosysteme nutzbar zu machen.

Van-der-Waals-Kraft

Die Casimir-Kraft gehört, wie auch die Van-der-Waals- und Casimir-Polder-Kraft, zu den Dispersionswechselwirkungen. Im Folgenden wird die Casimir-Kraft mit Hilfe von virtuellen Teilchen und ihren Fluktuationen im Vakuum (Vakuumfluktuation) erklärt. Vakuumfluktuationen entstehen, wenn man aus der Planckschen Strahlungsformel die Nullpunktenergie herleitet, die auch Vakuumenergie genannt wird. Aufgrund der Unschärferelation zwischen Zeit und Energie müssen in begrenzten Räumen Vakuumfluktuationen entstehen. Häufig wird daher die Casimir-Kraft als Beweis für Vakuumenergie und Vakuumfluktuationen angesehen. Im Grenzfall dünner Medien kann der Casimir-Effekt jedoch auch als eine Summe der Van-der-Waals-Kraft zwischen den einzelnen Atomen der beiden leitenden Platten verstanden werden. Darauf wurde 2005 von Robert L. Jaffe hingewiesen. 2012 wurde dieses von Joseph Cugnon bestätigt.

Vereinfachte Darstellung

Joseph Cugnon berichtet in einem Artikel, wie Casimir zu seiner vereinfachten Berechnung gekommen ist. Die Berechnung von Van-der-Waals-Kräften zwischen Körpern ist sehr schwierig. Als Casimir nun z.B. für die Van-der-Waals-Kraft zwischen einem Atom und einer leitenden Platte eine unerwartet einfache Formel gefunden hatte, zweifelte er, ob diese stimmen könnte. Er folgte dann einem Ratschlag von Niels Bohr: „Warum berechnen Sie den Effekt nicht, indem Sie die Differenz der Nullpunktenergien des elektromagnetischen Feldes ermitteln?“ Er berechnete daraufhin die Kräfte zwischen zwei Atomen und zwischen einem Atom und einer leitenden Platte. Schließlich wurde ihm klar, dass die Berechnung für zwei leitende Platten noch einfacher ist, und dieses Ergebnis publizierte er schließlich.

Die Van-der-Waals-Kraft zwischen leitenden Platten kann also einfacher berechnet werden, wenn angenommen wird, dass das Vakuum ein Raum voller virtueller Teilchen ist, die als Vakuumfluktuation bezeichnet werden. Solchen Teilchen kann eine De-Broglie-Wellenlänge zugeordnet werden. Dabei muss der Abstand der beiden Platten einem Vielfachen der halben Wellenlänge der virtuellen Teilchen entsprechen. Außerhalb der Platten sind allerdings alle möglichen Wellenlängen vorhanden. Es besteht ein unbegrenztes, kontinuierliches Spektrum. Dieses umfasst sowohl die Zustände, die innerhalb der Platten auftreten dürfen, als auch diejenigen, die zwischen den Platten auf Grund der Randbedingungen nicht möglich sind.

Außerhalb der Platten existiert also ein Kontinuum an virtuellen Teilchen, während innerhalb der Platten nur eine diskrete Anzahl von Teilchen entstehen kann, nämlich die, die den Randbedingungen der gegenüberstehenden Platten genügen. Daraus resultiert ein „Photonendruck“ von außen auf die Platten.

Berechnung mittels der vereinfachten Berechnungsmethode

Dazu werden virtuelle Teilchen angenommen, die aufgrund der Energieunschärfe kurzfristig aus dem Vakuum erzeugt werden. Diese können außerhalb der beiden Platten jeden beliebigen Impuls

 p = \hbar k

annehmen (also ein kontinuierliches Spektrum aufweisen) mit

Zwischen den beiden Platten weisen sie ein diskretes Impulsspektrum auf. Das ergibt sich aufgrund der Randbedingungen, denen ihre Bewegungsgleichungen auf den Platten genügen müssen. Dieses diskrete Impulsspektrum lässt sich als stehende Wellen zwischen beiden Platten auffassen. Somit sind zwischen den Platten bestimmte Zustände virtueller Teilchen verboten, die außerhalb angenommen werden können. Alle erlaubten virtuellen Teilchen werden aber an den Platten reflektiert. Von außen stoßen mehr (erlaubte) virtuelle Teilchen an als im Zwischenraum der Platten, und es entsteht eine Druckdifferenz. Dieser Casimir-„Druck“ p_{c} wirkt als Kraft F_c auf die Platten der jeweiligen Fläche A und drückt sie zusammen. Er beträgt für perfekt leitende Platten im Vakuum:

p_c = {F_c \over A} = \frac{\pi^2 \hbar c}{240} \cdot \frac{1}{d^4}

mit den Größen

Nach dieser Formel ergibt der Abstand von 190 nm einen Druck von 1 Pa, bei 11 nm erreicht man 100 kPa (1 bar).

Quantitative Messungen nahmen Steve Lamoreaux (Seattle, 1997) sowie Umar Mohideen und Anushree Roy (Riverside, 1998) vor.

2009 zeigten Alexej Weber von der Universität Heidelberg und Holger Gies von der Universität Jena, dass der Casimir-Effekt bei gegeneinander gekippten Platten andere Eigenschaften zeigt; so verstärkt er sich z.B. mit höherer Temperatur der Oberfläche.

Der Casimir-Effekt wurde auch im Breakthrough Propulsion Physics Project der NASA erforscht. Seit 2008 betreibt die DARPA ein Forschungsprogramm, das Casimir Effect Enhancement program.

Reverser Casimir-Effekt

Es gibt spezielle Fälle, in denen der Casimir-Effekt Abstoßungskräfte zwischen (nicht geladenen) Objekten hervorrufen kann. Dies war bereits 1956 von Jewgeni M. Lifschitz vorhergesagt worden. Die Abstoßungskräfte sollten am leichtesten in Flüssigkeiten auftreten. Nachdem geeignete Metamaterialien vorlagen, wurde der Effekt erneut von Eyal Buks und Michael L. Roukes im Jahr 2002 vorhergesagt. Im Jahre 2007 haben Physiker um Ulf Leonhardt von der Universität St Andrews theoretisch vorhergesagt, dass es unter Zuhilfenahme von Metamaterial mit negativem Brechungsindex möglich wäre, den Casimir-Effekt umzukehren, also eine Abstoßung der Platten zu erreichen. Dies wird reverser oder repulsiver Casimir-Effekt oder auch Quanten-Levitation genannt.

Eine experimentelle Demonstration der von Lifschitz vorhergesagten Abstoßung aufgrund der Umkehrung des Casimir-Effektes wurde von Munday et al. 2009 durchgeführt, die den Effekt ebenfalls als Quantenlevitation bezeichneten.

Andere Wissenschaftler haben die Verwendung von laseraktiven Medien zur Erzielung eines ähnlichen Levitationseffekts vorgeschlagen, obwohl dies umstritten ist, da diese Materialien grundlegende Anforderungen an Kausalität und thermodynamisches Gleichgewicht (Kramers-Kronig-Beziehungen) zu verletzen scheinen. Casimir- und Casimir-Polder-Abstoßung kann aber tatsächlich bei ausreichend anisotropen elektrischen Körpern auftreten. Für einen Überblick über die mit der Abstoßung verbundenen Probleme siehe Milton et al. Mehr zum steuerbaren (englisch tunable) abstoßenden Casimir-Effekt siehe Qing-Dong Jiang et al. (2019).

Dynamischer Casimir-Effekt

Aus der Quantenfeldtheorie hat der Physiker Gerald T. Moore schon 1970 hergeleitet, dass virtuelle Teilchen, die sich in einem Vakuum befinden, real werden können, wenn sie von einem Spiegel reflektiert werden, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Dieser Effekt wurde später auch dynamischer Casimir-Effekt genannt. Der Experimentalphysiker Per Delsing und Kollegen von der Universität Göteborg konnten dieses 2011 nachweisen.

Casimir-Drehmoment

Neben der Casimir-Kraft zwischen parallelen Platten gibt es auch ein Casimir-Drehmoment. Dieses wurde 2018 durch die Verdrehung von Flüssigkristallen nachgewiesen. Die wirkenden Drehmomente lagen in der Größenordnung von einigen milliardstel Newtonmetern.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.05. 2022