Arbeitsrecht
Seit der Gründung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht 1993 ist das nationale Recht dem europäischen Recht untergeordnet.
Im Recht der EU unterscheidet man zwischen den Rechtsnormen
- Primärrecht (EG-Verträge)
- Sekundärrecht (Verordnungen und Richtlinien)
Das Arbeitsrecht, bezogen auf Transsexualität, ist eng verbunden mit der Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund "sexueller Orientierung" (Vertrag von Amsterdam 1997) und wird durch das Sekundärrecht, hier Richtlinien, beeinflusst. Während Verordnungen unmittelbar verbindlich sind, geben Richtlinien ein zu erreichendes Ziel vor und müssen in einer bestimmten Frist von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Auf dieser Grundlage hat der Rat der EU bereits am 27.11.2000 die Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG beschlossen.
Das Ziel der Richtlinie 2000/78/EG ist die Festlegung eines allgemeinen Rahmens
für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Sie verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierung wegen der der Religion, der Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Art.1). Gemäß Art.3 gilt sie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen in Bezug auf die Bedingungen
für den Zugang zur Erwerbstätigkeit, den Zugang zu Berufsberatung, -ausbildung, beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sowie die
Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation. Personen, die Diskriminierungen geltend machen, können sich auf eine Beweislasterleichterung stützen (Art.10)
und die Mitgliedstaaten müssen Sanktionen für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot festlegen (Art.17).
Der Umsetzung der o.g. Richtlinie ist die Bundesregierung durch das Inkrafttreten des
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.08.2006 nachgekommen. Die Europäische Kommission hat die Bundesregierung allerdings am 31.01.2008 aufgefordert dieses Gesetz in
Teilen nachzubessern (
Konsequenzen der Bundesregierung aus der Aufforderung zur Reform des AGG durch die EU-Kommission).
Anmerkung: Auch wenn bestehende Richtlinien noch
nicht oder nur unvollständig in nationale Gesetze umgesetzt worden sind, müssen sich die Gerichte bei einer Rechtsprechung trotzdem nach diesen richten.
Trotz des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes wird es in der Praxis aber wieder so aussehen, dass in Einzelfällen das Recht wieder vor dem Arbeitsgericht erstritten werden muss.
Bisher erlassene Entscheidungen in Bezug auf das Arbeitsrecht (vor dem Inkrafttreten des AGG) sind:
Europäischer Gerichtshof:
Transsexuelle dürfen nicht entlassen werden,
weil sie beabsichtigen, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, oder sich ihr bereits unterzogen haben. Der Art.5 Abs.1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 09.02.1976
(Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen)
steht im Hinblick auf das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Entlassung einer transsexuellen Person aus einem mit der Umwandlung ihres Geschlechts zusammenhängenden Grund entgegen (
EuGH, Az. C-13/94 vom 30.04.1996)
Bundesverfassungsgericht:
Nach Änderung ihres Namens ist eine transsexuelle Person entsprechend ihrem neuen Rollenverständnis anzureden und anzuschreiben (BVerfG, Az. 2 BvR 1833/95 vom 15.08.1996).
vergleiche: Anrede nach der Vornamensänderung.
Arbeitsgerichte:
Gibt eine transsexuelle Person, deren Geschlechtsumwandlung nach §§ 8, 10 TSG noch nicht erfolgt ist, bei Einstellungsverhandlungen ihr wahres Geschlecht ungefragt nicht an,
so liegt darin im Hinblick auf den Schutzweck des
Transgender Gesetz keine rechtswidrige arglistige Täuschung
( § 123 BGB).
Es kann jedoch eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person (
§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht kommen (BAG, Az. 2 AZR 449/90 vom 21.02.1991).
Transsexuelle haben schon vor der Änderung ihres Vornamens und vor Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz Ansprüche auf Aushändigung von Dienstkleidung des
anderen Geschlechts (LAG Berlin, AZ. 10 SA 57 und 64/90 vom 02.10.1990).
Es besteht Anspruch auf Neuerteilung eines Arbeitszeugnisses mit dem geänderten Namen bzw. dem geänderten Geschlecht,
da die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch über das Arbeitsverhältnis hinaus besteht (LAG Hamm, Az. 4 Sa 1337/98 vom 17.12.1998).
Vergleiche: Dokumentenänderung vor und nach amtlicher Vornamensänderung (Offenbarungsverbot).
Bei rechlichen Fragen wendet euch an die Rechtsanwältin
Maria Sabine Augstein
Oberzeismering 12
82327 Tutzing
Tel: 08158/7809
Sie ist spezialisiert auf das Recht für Lesben, Schwule und Transsexuelle.
Weitere Links und Hilfe findet ihr beim
DGTI - Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität
Godorfer Hauptstr. 60
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Tel: 02236/839018 (Di 19.00-21.00 Uhr und Fr 13.00-17.00 Uhr)
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Datum der letzten Änderung: Jena, den : 24.11.2012