LAG HAMM zur
Neuausstellung von Zeugnissen
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 17.12.1998, 4 Sa 1337/98
Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass ein ihm erteiltes Zeugnis berichtigt
wird, wenn es formell (z.B. ohne Briefkopf oder falsche Schreibweise)
nicht in Ordnung ist oder aber wenn es inhaltlich nicht zutrifft.
Es sind also die Fälle der - inhaltlichen - Zeugnisberichtigung
von den Fällen zu unterscheiden, in denen der Arbeitnehmer die Neuausstellung
eines - inhaltlich richtigen und nicht beanstandeten - Zeugnisses begehrt,
weil es beschädigt worden oder verloren gegangen ist. In solchen
Fällen ist der Arbeitgeber kraft seiner nachvertraglichen Fürsorgepflicht
verpflichtet, auf Kosten des Arbeitnehmers ein neues Zeugnis zu erteilen.
Entscheidend ist dabei allein die Frage, ob dem früheren Arbeitgeber
- nach Ausscheiden des Arbeitnehmers - die Ersatzausstellung des Zeugnisses
zugemutet werden, insbesondere ob er an Hand (noch) vorhandener Personalunterlagen
ohne großen Arbeitsaufwand das Zeugnis neu schreiben lassen kann
oder nicht.
Auf der gleichen Ebene liegt es, wenn eine transsexuelle Person von dem
früheren Arbeitgeber die Neuerteilung eines Zeugnisses mit geändertem
Vornamen bzw. mit geändertem Geschlecht begehrt. Selbst dann, wenn
die Personalakte der transsexuellen Person infolge Zeitablaufs vernichtet
sein sollte, kann ihr der Arbeitgeber die Neuerteilung eines Zeugnisses
nicht unter Berufung auf Verwirkung verweigern, weil das ursprünglich
erteilte Zeugnis zurückzugeben ist, der Arbeitgeber es mithin also
ohne jegliche inhaltliche Überprüfung nur hinsichtlich des geänderten
Geschlechts und des geänderten Namens der transsexuellen Person und
der sich daraus ergebenden grammatikalischen und rechtschreibemäßigen
Abänderungen "umformulieren" muss. Der Anspruch auf Neuerteilung
eines Zeugnisses mit geändertem Vornamen bzw. mit geändertem
Geschlecht der transsexuellen Person folgt aus der nachvertraglichen Fürsorgepflicht
des Arbeitgebers. Da über einen Arbeitnehmer nur eine Beurteilung
existieren darf, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Zug-um-Zug gegen
Rückgabe des beanstandeten Zeugnisses ein neues Zeugnis zu erteilen.
(LAG Hamm vom 17.12.1998 - 4 Sa 1337/98 -; rechtskräftig).
Der Arbeitnehmer muss den Berichtigungsanspruch ausdrücklich geltend
machen. Das bedeutet, dass die bloße Erhebung einer Kündigungsschutzklage
hierfür nicht ausreicht.
Im Einzelfall, wenn z.B. nur ein unbedeutender Schreibfehler vorliegt,
kann ein Berichtigungsanspruch nicht bestehen, z.B. wenn statt "integren"
"integeren" geschrieben wird oder wenn statt "stets"
"immer" verlangt wird. Auch kann nicht verlangt werden, dass
selbstverständliche oder unwesentliche Einzelleistungen im Zeugnis
extra erwähnt werden, z.B. das Tanken des LKW's bei einem Kraftfahrer.
Mit dem Ansinn des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber möge ein Zeugnis
ändern oder ergänzen, macht er geltend, dass der Erfüllungsanspruch
nicht ordnungsgemäß abgewickelt sei. Diese Forderung kann der
Betreffende nur "unverzüglich" nach Erhalt des Zeugnisses
stellen und nicht erst, wenn seine Bemühungen eine Anstellung zu
finden, erfolglos blieben (BAG vom 23.06.1960 - 5 AZR 560/58 und vom 23.02.1983
- 5 AZR 515/80).
Der Arbeitnehmer muss die Berichtigung innerhalb einer angemessenen Zeit
(etwa bis zu einem halben Jahr nach der Ausstellung) vom Arbeitgeber verlangen,
damit der Anspruch nicht andernfalls verwirkt (wegen der Einzelheiten
vgl. 385008 Frist und Verwirkung bei Zeugniserteilung).
Wenn der Arbeitgeber die Berichtigung ablehnt, dann muss der Arbeitnehmer
auf Berichtigung klagen. Vom BAG wird das Berichtigungsverlangen als Geltendmachung
des Erfüllungsanspruchs angesehen (BAG vom 23.02.1983, in: EzA §
70 BAT Nr. 15).
In der Klage muss der Arbeitnehmer einen bestimmten Antrag stellen, die
die von ihm gewünschte richtige Form oder Formulierung enthält.
Im Zweifel werden die Arbeitsgerichte im Urteilstenor das zu erteilende
Zeugnis selbst neu formulieren.
Nach Rechtskraft des Urteils muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das
Zeugnis in formell einwandfreier Form und entsprechend dem Urteilstenor
aushändigen.
B e a c h t e :
Der Arbeitgeber darf, wenn er zur Berichtigung des Zeugnisses verurteilt
worden ist, nicht im Zeugnis darauf hinweisen, dass diese Formulierung
auf einer gerichtlichen Entscheidung oder auf einer außergerichtlichen
Vereinbarung beruht (LAG Baden-Württemberg, in: DB 1967,48).
B e a c h t e :
Die Berichtigung erfolgt durch Ausstellung eines neuen Zeugnisses. Dieses
neue Zeugnis trägt das Ausstellungsdatum des früheren, jetzt
berichtigten Zeugnisses!
Der Zeugnisberechtigungsanspruch unterliegt grundsätzlich der Verwirkung,
wobei für ein Zwischenzeugnis dieselben Grundsätze wie für
ein Schlusszeugnis gelten (LAG Köln v. 8.2.2000 - 13 Sa 1050/99).
Ein Untätigkeitszeitraum von 12 Monaten reicht grundsätzlich
aus, um das Zeitmoment zu erfüllen. Hat ein Arbeitnehmer sein Berichtigungsbegehren
zunächst unter Fristsetzung mit Klagandrohung geltend gemacht und
dann in der Folgezeit trotz definitiver Ablehnung durch den Arbeitgeber
sein Berichtsbegehren ohne ausdrückliche Zurückstellung nicht
weiterverfolgt, gleichzeitig aber mit dem Arbeitgeber einen intensiven
Schriftwechsel und mehrere Gespräche über die von ihm auszuübende
Tätigkeit geführt, ist auch der erforderliche Umstandsmoment
gegeben (LAG Köln a.a.O.).
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ANMERKUNG: Wenn dieser Beschluss verwendet wird, um auf das Recht der
Zeugnisänderung zu verweisen, ist es empfehlenswert gleich noch auf
§ 5 des TSG (Offenbarungsverbot) hinzuweisen.
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