Attraktor

Attraktor (lat. ad trahere „zu sich hin ziehen“) ist ein Begriff aus der Theorie dynamischer Systeme und beschreibt eine Untermenge eines Phasenraums (d.h. eine gewisse Anzahl von Zuständen), auf die sich ein dynamisches System im Laufe der Zeit zubewegt und die unter der Dynamik dieses Systems nicht mehr verlassen wird. Das heißt, eine Menge von Variablen nähert sich im Laufe der Zeit (asymptotisch) einem bestimmten Wert, einer Kurve, oder komplexerem (also einer Region im n-dimensionalen Raum) und bleibt dann im weiteren Zeitverlauf in der Nähe dieses Attraktors. Ein Attraktor erscheint als klar erkennbare Struktur. Umgangssprachlich könnte man von einer Art „stabilen Zustands“ eines Systems sprechen (wobei auch periodisch, also wellenartig wiederkehrende Zustände oder andere erkennbare Muster gemeint sein können), also ein Zustand, auf das sich ein System hinbewegt. Das Gegenteil eines Attraktors wird Repellor oder negativer Attraktor genannt. Anwendung finden die Begriffe in der Physik und der Biologie.

Fachterminus

Beispiel: Lorenz-Attraktor Poisson Saturne

Die Menge aller Punkte des Phasenraums, die unter der Dynamik demselben Attraktor zustreben, heißt Attraktions- oder Einzugsgebiet dieses Attraktors.

Bekannte Beispiele sind Lorenz-Attraktor, Rössler-Attraktor und die Nullstellen einer differenzierbaren Funktion, welche Attraktoren des zugehörigen Newton-Verfahrens sind.

Dynamische Systeme werden oft als mathematische Modelle physikalischer oder anderer Vorgänge der realen Welt aufgestellt. Beispiele sind das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten und Gasen, Bewegungen von Himmelskörpern unter gegenseitiger Beeinflussung durch die Gravitation, Populationsgrößen von Lebewesen unter Berücksichtigung der Räuber-Beute-Beziehung oder die Entwicklung wirtschaftlicher Kenngrößen unter Einfluss der Marktgesetze. Dynamische Systeme werden definiert durch die Beschreibung der Zustandsänderung in Abhängigkeit von der Zeit t. Für die mathematische Definition wird das reale System oft in stark vereinfachter Form betrachtet. Die Ursache dafür, dass sich hier das Langzeitverhalten des dynamischen Systems durch den globalen Attraktor beschreiben lässt, ist bei physikalischen und technischen Systemen oft Dissipation, insbesondere Reibung.

Man unterscheidet zwischen diskreten und kontinuierlichen dynamischen Systemen, je nachdem, ob die Zustandsänderung in festen zeitlichen Schritten (t\in \mathbb {N} ) oder als kontinuierlicher Vorgang (t \in \mathbb{R}) definiert ist. Der Zustand wird durch beliebig viele Zustandsgrößen dargestellt, diese bilden die Dimensionen des Phasenraums. Jeder Zustand ist damit ein Punkt im Phasenraum, diskrete Systeme bilden Mengen von isolierten Punkten, kontinuierliche Systeme werden durch Linien (Trajektorien) repräsentiert.

Ein gemischtes System aus kontinuierlichen und diskreten Teilsystemen – mit dann kontinuierlich-diskreter Dynamik – wird auch als hybrides dynamisches System bezeichnet. Beispiele solcher strukturvariabler Dynamiken finden sich in der Verfahrenstechnik (bspw. Dosiervorlagesysteme). Die mathematische Beschreibung erfolgt durch hybride Modelle bspw. durch schaltende Differentialgleichungen. Die Trajektorien im Phasenraum sind i.allg. nicht stetig (es zeigen sich „Knicke“ und Sprungstellen bei den Trajektorien).

Bei der Untersuchung dynamischer Systeme interessiert man sich vor allem für das Verhalten für t\to \infty bei einem bestimmten Anfangszustand. Der Grenzwert in diesem Fall wird als Attraktor bezeichnet. Typische und häufige Beispiele von Attraktoren sind:

Für ein hybrides dynamisches System mit chaotischer Dynamik konnte im \mathbb {R} ^{n} die Oberfläche eines n-Simplex als Attraktor identifiziert werden.

Diese Beispiele sind Attraktoren, die im Phasenraum eine ganzzahlige Dimension besitzen. Die Existenz von Attraktoren mit komplizierterer Struktur war zwar schon länger bekannt, man betrachtete sie aber zunächst als instabile Sonderfälle, deren Auftreten nur bei bestimmter Wahl des Ausgangszustands und der Systemparameter beobachtet wird. Dies änderte sich mit der Definition eines neuen, speziellen Typs von Attraktor:

Mathematische Definition

Formal betrachte man ein dynamisches System bestehend aus einem topologischen Raum X und einer Transformation {\displaystyle f:{\mathcal {T}}\times X\longrightarrow X}, wobei {\mathcal  {T}} ein linear geordnetes Monoid ist wie {\displaystyle {\mathcal {T}}=\mathbb {N} ,\mathbb {Z} ,[0,\infty [} oder \mathbb {R} und f normalerweise stetig oder mindestens messbar ist (oder mindestens wird verlangt, dass {\displaystyle f(t,\cdot ):X\longrightarrow X} stetig/messbar ist für jedes {\displaystyle t\in {\mathcal {T}}}) und erfüllt

{\displaystyle f(t+s,x)=f(t,f(s,x))} für alle »Zeiten« {\displaystyle t,s\in {\mathcal {T}}} und Punkte x\in X.

Definition 1. Eine Teilmenge A\subseteq X heißt dann vorwärts invariant, wenn

{\displaystyle \forall {t\geq 0:}~f(t,A)\subseteq A.}

Mit anderen Worten sobald ein Punkt in einen Attraktor gelangt, entkommt er der Teilmenge nicht.

Definition 2. Unter dem Sammelbecken einer Teilmenge A\subseteq X versteht man die Menge

{\displaystyle B(A):=\{x\in X\mid \forall {U\in {\mathcal {N}}(A):~}\exists {t_{0}\geq 0:~}\forall {t\geq t_{0}:~}f(t,x)\in U\},}

wobei {\displaystyle {\mathcal {N}}(A)} die Menge der Umgebungen von A ist. Mit Worten ist ein Punkt, x\in X, in B(A) genau dann, wenn für alle Umgebungen U von A dieser Punkt ab einem Zeitpunkt sich immer in dieser Umgebung aufhält.

Bemerkung. Im Falle eines kompakten metrisierten Raums (X,d) ist diese Definition äquivalent zu

{\displaystyle B(A):=\{x\in X\mid \lim _{t\to \infty }d(f(t,x),A)=0\}.}

Bemerkung. Angenommen, der Raum sei metrisierbar und A sei kompakt. Aus der Definition eines Sammelbeckens geht hervor, dass B(A) vorwärts invariant ist und {\displaystyle \bigcap \{f(t,B(A))\mid t>0\}={\overline {A}}}. Manche Autoren definieren das Sammelbecken als die (offene) Menge mit diesen beiden Eigenschaften.

Definition 3. Unter einem Attraktor versteht man eine Teilmenge A\subseteq X, die den folgenden Bedingungen genügt

1. A ist vorwärts invariant;
2. Das Sammelbecken B(A) ist eine Umgebung von A;
3. A ist eine minimale nicht leere Teilmenge von X mit Bedingungen 1 und 2.

Bemerkung. Bedingung 1 erfordert eine gewisse Stabilität des Attraktors. Daraus folgt offensichtlich, dass {\displaystyle A\subseteq B(A)}. Anhand Bedingung 2 wird weiterhin verlangt, dass {\displaystyle A\subseteq B(A)^{\circ }} und bedeutet u. a., jeder Punkt in einer gewissen Nähe von A nähere sich dem Attraktor beliebig. Manche Autoren lassen Bedingung 2 weg. Bedingung 3 erfordert, dass der Attraktor nicht in weitere Komponenten zerlegt werden kann (ansonsten wäre bspw. der ganze Raum trivialerweise ein Attraktor).

Trenner
Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
Seitenende
Seite zurück
©  biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 10.05. 2021