Kurvenintegral

Das Kurven-, Linien-, Weg- oder Konturintegral erweitert den gewöhnlichen Integralbegriff für die Integration in der komplexen Ebene (Funktionentheorie) oder im mehrdimensionalen Raum (Vektoranalysis).

Den Weg, die Linie oder die Kurve, über die integriert wird, nennt man den Integrationsweg.

Wegintegrale über geschlossene Kurven werden auch als Ringintegral, Umlaufintegral oder Zirkulation bezeichnet und mit dem Symbol \textstyle \oint geschrieben.

Reelle Wegintegrale

Wegintegral erster Art

Illustration eines Kurvenintegrals erster Art über ein Skalarfeld

Das Wegintegral einer stetigen Funktion,

f\colon \mathbb {R} ^{n}\rightarrow \mathbb {R}

entlang eines stückweise stetig differenzierbaren Weges

\gamma \colon [a,b]\to \mathbb {R} ^{n}

ist definiert als

\int \limits _{\gamma }f\,\mathrm {d} s:=\int \limits _{a}^{b}f(\gamma (t))\;\|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2}\;\,\mathrm {d} t.

Dabei bezeichnet {\dot {\gamma }} die Ableitung von \gamma nach t und \|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2} die euklidische Norm des Vektors {\dot {\gamma }}(t).

Die Bildmenge {\displaystyle {\mathcal {C}}:=\gamma ([a,b])} ist eine stückweise glatte Kurve in \mathbb {R} ^{n}.

Anmerkungen

Wegintegral zweiter Art

Illustration eines Kurvenintegrals zweiter Art über ein Vektorfeld

Das Wegintegral über ein stetiges Vektorfeld

\mathbf {f} \colon \mathbb {R} ^{n}\rightarrow \mathbb {R} ^{n}

mit einer ebenfalls so parametrisierten Kurve ist definiert als das Integral über das Skalarprodukt aus \mathbf {f} \circ \gamma und {\dot {\gamma }}:

\int \limits _{\gamma }\mathbf {f} (\mathbf {x} )\cdot \mathrm {d} \mathbf {x} :=\int \limits _{a}^{b}\mathbf {f} (\gamma (t))\cdot {\dot {\gamma }}(t)\,\mathrm {d} t

Einfluss der Parametrisierung

Sind \gamma \colon [a,b]\to \mathbb {R} ^{n} und \eta \colon [c,d]\to \mathbb {R} ^{n} einfache (d. h. \gamma _{|(a,b)} und >\eta _{|(c,d)} sind injektiv) Wege mit \gamma (a)=\eta (c) und \gamma (b)=\eta (d) und demselben Bild, parametrisieren sie also dieselbe Kurve in derselben Richtung und durchlaufen sie die Kurve (bis auf Doppelpunkte) genau einmal, so stimmen die Integrale entlang \gamma und \eta überein. Dies rechtfertigt den Namen Kurvenintegral; ist die Integrationsrichtung aus dem Kontext ersichtlich oder irrelevant, wird daher der Weg in der Notation unterdrückt.

Kurvenintegrale

Da eine Kurve {\mathcal {C}} das Bild eines Weges \gamma ist, entsprechen die Definitionen der Kurvenintegrale im Wesentlichen den Wegintegralen.

Kurvenintegral 1. Art:

{\displaystyle \int \limits _{\mathcal {C}}f\,\mathrm {d} s:=\int \limits _{a}^{b}f(\gamma (t))\|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2}\,\mathrm {d} t.}

Kurvenintegral 2. Art:

{\displaystyle \int \limits _{\mathcal {C}}\mathbf {f} (\mathbf {x} )\cdot \mathrm {d} \mathbf {x} :=\int \limits _{a}^{b}\mathbf {f} (\gamma (t))\cdot {\dot {\gamma }}(t)\,\mathrm {d} t}

Ein Spezialfall ist wieder die Länge der durch \gamma parametrisierten Kurve {\mathcal {C}}:

\mathrm {L{\ddot {a}}nge\ von\ } {\mathcal {C}}=\int \limits _{\mathcal {C}}\mathrm {d} s=\int \limits _{a}^{b}\|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2}\,\mathrm {d} t.

Wegelement und Längenelement

Der in den Kurvenintegralen erster Art auftretende Ausdruck

{\displaystyle \mathrm {d} s=\|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2}\,\mathrm {d} t}

heißt skalares Wegelement oder Längenelement. Der in den Kurvenintegralen zweiter Art auftretende Ausdruck

\mathrm {d} \mathbf {x} ={\dot {\gamma }}(t)\,\mathrm {d} t

heißt vektorielles Wegelement.

Rechenregeln

Seien \int \limits _{\gamma }\mathbf {f} (\mathbf {x} ), \int \limits _{\gamma }\mathbf {g} (\mathbf {x} ) Kurvenintegrale gleicher Art (d. h. entweder beide erster oder beide zweiter Art), sei das Urbild der beiden Funktionen \mathbf {f} und \mathbf {g} von gleicher Dimension und sei \gamma \colon [a,b]\to \mathbb {R} ^{n}. Dann gelten für \alpha , \beta \in \mathbb {R} und c\in \mathbb {[} a,b] die folgenden Rechenregeln:

Notation für Kurvenintegrale von geschlossenen Kurven

Ist \gamma ein geschlossener Weg, so schreibt man

statt {\displaystyle \displaystyle \int \limits _{\gamma }} auch {\displaystyle \displaystyle \oint \limits _{\gamma }},

und analog für geschlossene Kurven {\mathcal {C}}

statt {\displaystyle \displaystyle \int \limits _{\mathcal {C}}} auch {\displaystyle \displaystyle \oint \limits _{\mathcal {C}}}.

Mit dem Kreis im Integral möchte man deutlich machen, dass \gamma geschlossen ist. Der einzige Unterschied liegt hierbei in der Notation.

Beispiele

\gamma \colon [a,b]\to \mathbb {R} ^{2},\quad t\mapsto (t,f(t))
parametrisiert. Wegen
\|{\dot {\gamma }}(t)\|_{2}={\sqrt {1+f'(t)^{2}}}
ist die Länge der Kurve gleich
{\displaystyle \int \limits _{\mathcal {C}}\mathrm {d} s=\int \limits _{a}^{b}{\sqrt {1+f'(t)^{2}}}\,\mathrm {d} t.}
{\displaystyle \int \limits _{0}^{2\pi }{\sqrt {a^{2}\sin ^{2}t+b^{2}\cos ^{2}t}}\,\mathrm {d} t=4a\int \limits _{0}^{\frac {\pi }{2}}{\sqrt {1-\varepsilon ^{2}\cos ^{2}t}}\;\mathrm {d} t}.
Dabei bezeichnet \varepsilon die numerische Exzentrizität {\sqrt {1-b^{2}/a^{2}}} der Ellipse. Das Integral auf der rechten Seite wird aufgrund dieses Zusammenhanges als elliptisches Integral bezeichnet.

Wegunabhängigkeit

Ist ein Vektorfeld \mathbf {F} ein Gradientenfeld, d.h. \mathbf {F} ist der Gradient eines skalaren Feldes V, mit

\mathbf {\nabla } V=\mathbf {F} ,

so gilt für die Ableitung der Verkettung von V und \mathbf {r} (t)

{\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} t}}V(\mathbf {r} (t))=\mathbf {\nabla } V(\mathbf {r} (t))\cdot {\dot {\mathbf {r} }}(t)=\mathbf {F} (\mathbf {r} (t))\cdot {\dot {\mathbf {r} }}(t)

was gerade dem Integranden des Wegintegrals über \mathbf {F} auf \mathbf {r} (t) entspricht. Daraus folgt für eine gegebene Kurve {\mathcal {S}}

\int \limits _{\mathcal {S}}\mathbf {F} (\mathbf {x} )\cdot \,\mathrm {d} \mathbf {x} =\int \limits _{a}^{b}\mathbf {F} (\mathbf {r} (t))\cdot {\dot {\mathbf {r} }}(t)\,\mathrm {d} t=\int \limits _{a}^{b}{\frac {\mathrm {d} }{\mathrm {d} t}}V(\mathbf {r} (t))\,\mathrm {d} t=V(\mathbf {r} (b))-V(\mathbf {r} (a)).
Zwei beliebige Kurven {\displaystyle {\mathcal {S}}1} und {\displaystyle {\mathcal {S}}2} in einem Gradientenfeld

Dies bedeutet, dass das Integral von \mathbf {F} über {\mathcal {S}} ausschließlich von den Punkten \mathbf {r} (b) und \mathbf {r} (a) abhängt und der Weg dazwischen irrelevant für das Ergebnis ist. Aus diesem Grund wird das Integral eines Gradientenfeldes als "wegunabhängig" bezeichnet.

Insbesondere gilt für das Ringintegral über die geschlossene Kurve {\mathcal {S}}, mit zwei beliebigen Wegen {\mathcal {S}}_{1} und {\mathcal {S}}_{2}

\oint \limits _{\mathcal {S}}\mathbf {F} (\mathbf {x} )\,\mathrm {d} \mathbf {x} =\int \limits _{1,{\mathcal {S}}_{1}}^{2}\mathbf {F} (\mathbf {x} )\,\mathrm {d} \mathbf {x} +\int \limits _{2,{\mathcal {S}}_{2}}^{1}\mathbf {F} (\mathbf {x} )\,\mathrm {d} \mathbf {x} =0

Dies ist insbesondere in der Physik von großer Bedeutung, da beispielsweise die Gravitation diese Eigenschaften besitzt. Da die Energie in diesen Kraftfeldern stets eine Erhaltungsgröße ist, werden sie in der Physik als konservative Kraftfelder bezeichnet. Das skalare Feld V ist dabei das Potential beziehungsweise die potentielle Energie. Konservative Kraftfelder erhalten die mechanische Energie, d.i. die Summe aus kinetischer Energie und potentieller Energie. Gemäß dem obigen Integral wird auf einer geschlossenen Kurve insgesamt eine Arbeit von 0 J aufgebracht.

Wegunabhängigkeit lässt sich auch mit Hilfe der Integrabilitätsbedingung zeigen.

Die Kurve \gamma umläuft den Nullpunkt z_{0} zweimal.

Ist das Vektorfeld nur in einer (kleinen) Umgebung U eines Punktes nicht als Gradientenfeld darstellbar, so ist das geschlossene Wegintegral von Kurven außerhalb von U proportional zur Windungszahl um diesen Punkt und ansonsten unabhängig vom genauen Verlauf der Kurve (siehe Algebraische Topologie: Methodik).

Komplexe Wegintegrale

Ist f\colon [a,b]\to \mathbb {C} eine komplexwertige Funktion, dann nennt man f integrierbar, wenn \operatorname {Re} f und \operatorname {Im} f integrierbar sind. Man definiert

\int \limits _{a}^{b}f(x)\mathrm {d} x:=\int \limits _{a}^{b}\operatorname {Re} f(x)\mathrm {d} x+\mathrm {i} \int \limits _{a}^{b}\operatorname {Im} f(x)\mathrm {d} x.

Das Integral ist damit \mathbb {C} -linear. Ist f im Intervall [a,b] stetig und F eine Stammfunktion von f, so gilt wie im Reellen

\int \limits _{a}^{b}f(x)\mathrm {d} x=F(b)-F(a).

Der Integralbegriff wird nun auf die komplexe Ebene wie folgt erweitert: Ist f\colon U\to \mathbb {C} eine komplexwertige Funktion auf einem Gebiet U\subseteq \mathbb {C} , und ist \gamma \colon [0,1]\to U ein stückweise stetig differenzierbarer Weg in U, so ist das Wegintegral von f entlang des Weges \gamma definiert als

\int \limits _{\gamma }f:=\int \limits _{\gamma }f(z)\,\mathrm {d} z:=\int \limits _{0}^{1}f(\gamma (t))\cdot {\dot {\gamma }}(t)\,\mathrm {d} t.

Der Malpunkt bezeichnet hier komplexe Multiplikation.

Die zentrale Aussage über Wegintegrale komplexer Funktionen ist der Cauchysche Integralsatz: Für eine holomorphe Funktion f hängt das Wegintegral nur von der Homotopieklasse von \gamma ab. Ist U einfach zusammenhängend, so hängt das Integral also überhaupt nicht von \gamma , sondern nur von Anfangs- und Endpunkt ab.

Analog zum reellen Fall definiert man die Länge des Weges \gamma durch

\operatorname {L} (\gamma ):=\int \limits _{0}^{1}\left|{\dot {\gamma }}(t)\right|\mathrm {d} t.

Für theoretische Zwecke ist folgende Ungleichung, die sogenannte Standardabschätzung, von besonderem Interesse:

\left|\int _{\gamma }f(z)\,\mathrm {d} z\right|\leq \operatorname {L} (\gamma )\cdot C, wenn \left|f(z)\right|\leq C für alle z\in \gamma ([0,1]) gilt.

Wie im reellen Fall ist das Wegintegral unabhängig von der Parametrisierung des Weges \gamma , d. h. es ist nicht zwingend notwendig, [0,1] als Parameterbereich zu wählen, wie sich durch Substitution zeigen lässt. Dies erlaubt die Definition komplexer Kurvenintegrale, indem man den obigen Formeln den Weg \gamma durch eine Kurve {\mathcal {C}} in \mathbb {C} ersetzt.

Siehe dagegen

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 10.06. 2021