Entwicklung, Projektierung und Vervollkommnung von Triebwerksanlagen

Die Entwicklung der Triebwerksanlage eines modernen Flugzeuges ist ein Vorhaben, das grossen Aufwand und viel Zeit erfordert. Mit der Entwicklung eines neuen Triebwerkes sind viele materielltechnische Probleme verbunden, die nur auf den ersten Blick bekannt erscheinen. Eine wesentliche Rolle spielt die Gasdynamik, die sich bedeutend von der herkömmlichen Aerodynamik unterscheidet. Offensichtlich kann man das gleiche von der Baumechanik, Chemie und Metallurgie sagen. Die Triebwerke bestimmen die flugtechnischen Eigenschaften neuer Flugzeuge in bedeutendem Masse, um so mehr, als einen grossen Teil der Startmasse ausmachen. Eine Besonderheit besteht auch darin, dass die Prüfstandkennwerte eines Triebwerkes nicht unbedingt ausschlaggebend sind, wenn sie nicht gleichzeitig gute Flugeigenschaften des Flugzeuges gewährleisten.

Die Schaffung eines Triebwerkes ist vor allem der Versuch, bestimmte Kennwerte unter Nutzung der physikalischen Gesetze zu erzielen. Solche Kennwerte wie Herstellung, Abmessungen und - als wichtigste - die technische Vollkommenheit sind die Haupteigenschaften.

Sie hängen wechselseitig voneinander ab, und es ist unlogisch, sie getrennt zu untersuchen. Zum Beispiel müssen beim Entwurf des Verdichters der Spannungs- und Deformationsgrad, das Material, die Stufenzahl, die Krümmung und die Anzahl der Schaufeln, die Dehnung, die Toleranzen, die Abrundungsradien, der technologische Prozess, die Masse, die Geschwindigkeiten, die Kompatibilitätskennwerte, die Geschwindigkeitsprofile am Austritt, die Stabilität gegenüber instabiler Arbeit, die Auswuchtung, die Montagetechnik, die Festigkeit der Baugruppen und viele andere Eigenschaften berücksichtigt werden. Alle diese physikalischen Grössen sind wechselseitig miteinander verbunden.
Abhängig von der Auswahl der bestimmenden Eigenschaften wird der Verdichter durch eine bestimmte Zuverlässigkeit, leichte Wartung und Kontrolle, Einfachheit der Herstellung, Dauerfestigkeit und geringe Kosten charakterisiert und im Endergebnis die geforderten Parameter besitzen. Dieses Endergebnis kann aber nur ein Kompromiss sein.

In der Literatur werden folgende Zahlen angeführt: Triebwerke für moderne Jagd-, Bomben- oder Transportflugzeuge bestehen aus annähernd 40000 Einzelteilen. Für deren Entwicklung werden im Verlauf von 2 bis 3 besonders angespannten Jahren 400 bis 500 wissenschaftliche Mitarbeiter und Ingenieure und etwa 1000 technische Kräfte benötigt. Jeder der 400 Ingenieure muss die Entwicklung von durchschnittlich 100 Einzelteilen sicherstellen. Die Entwicklung kann zeitlich in mehrere Etappen unterteilt werden.

Die erste Etappe dauert vom Beginn des Entwicklungsprogramms bis zum ersten Anlassen des Triebwerks auf dem Prüfstand.
Die zweite Etappe beginnt mit der ersten Prüfstanderprobung und dauert bis zum Abschluss der Vorprüfungen für die Beurteilung der Flugcharakteristika, die Bestätigung der geforderten Triebwerkskennwerte und die Flugsicherheit. Spezialisten veranschlagen für diese Etappe etwa 30 ernsthafte Defekte, annähernd 3000 Projektänderungen und etwa 2000 technische Veränderungen der Triebwerkskonstruktion.
Die dritte Etappe beginnt mit den Versuchen zur Ermittlung der Flugcharakteristika und endet mit der Durchführung von Qualifikationsprüfungen. In dieser Etappe müssen die grundlegenden Triebwerkskennwerte erzielt und das Niveau erreicht werden, das die Aufnahme der Fertigung gestattet. Auch in dieser Etappe kann man noch etwa 15 ernste Defekte erwarten. Es sind noch annähernd 1000 Projektänderungen zu untersuchen und 800 technische Veränderungen in der Triebwerkskonstruktion vorzunehmen.
Die vierte Etappe sieht Flug- und Betriebsprüfungen einschliesslich des Einsatzes des Triebwerkes in Serienflugzeugen vor, wobei das Triebwerk unter allen absehbaren Einsatzbedingungen arbeitet.

Untersuchen wir die Entwicklung eines typischen modernen Triebwerkes. Ein Zweistrom-Turbinenluftstrahltriebwerk (ZTL) besteht aus folgenden Bestandteilen: Gebläse, Verdichter, Hauptbrennkammer, Verdichterturbine, Gebläseturbine, Schubdüse, Lagerung, Kraftstoff System. Wenn ein Nachbrenner vorhanden ist, müssen die Entnahme und Zuführung der Kühlluft für die Schubdüse in die Untersuchungen aufgenommen werden. Die Strömungsparameter vor dem Triebwerk und beim Austritt aus der Düse haben starken Einfluss auf die Arbeit des Triebwerkes und müssen daher bei der Projektierung berücksichtigt werden.

Einer der Hauptbestandteile des Triebwerkes ist dessen Gasgenerator, der aus dem Verdichter, der Hauptbrennkammer und der Verdichterturbine besteht. Der Gasgenerator arbeitet bei den höchsten im Triebwerk auftretenden Temperaturen und Drücken. Daher wird nicht unbegründet vorausgesetzt, dass er die Grundlage für den Erfolg bei der Schaffung eines Triebwerkes insgesamt ist. Der Gasgenerator kann als selbständige Einheit geprüft werden. Es ist wünschenswert, ihn in den Betriebsarten zu prüfen, die beste Kenngrössen gewährleisten. Die Entwicklung einer Triebwerksanlage schliesst die Entwicklung des Eingangsteils, des Austrittssystems und der damit verbundenen Aggregate ein. Bei der Entwicklung des Gaskanals wird das Druckniveau in seinen Elementen zur Sicherung annehmbarer Werte berücksichtigt. Danach erfolgt die Entwicklung der Triebwerkskonstruktion, die Bestimmung der Sollbetriebszeit, der Zuverlässigkeit, des Systems der Steuerung u.a. Nach Ansicht von Triebwerksspezialisten der USA-Luftwaffe beträgt die Zeit für die vollständige Entwicklung eines Triebwerkes üblicherweise 5 Jahre. Dabei ist die Herstellung von 15 kompletten Triebwerken und einer Vielzahl von Einzelteilen erforderlich.

Die Vervollkommnung von Triebwerkselementen ist immer Gegenstand ständiger Untersuchungen. Für die Analyse von Triebwerkswerten wird vor allem der Nutzungsgrad der bei der Kraftstoffverbrennung im Triebwerk gewonnenen Energie eingeschätzt. Wenn man die Triebwerke (wie es manchmal getan wird) in drei Generationen unterteilt (1955 -1. Generation, 1963 - 2. Generation, moderne Triebwerke - 3. Generation) und vergleicht, dann wird ersichtlich, dass auch bei der dritten Generation die Wärmeenergieverluste bei der Verbrennung des Kraftstoffes in der Brennkammer den Hauptanteil der insgesamt 21% überschreitenden Energie Verluste ausmachen. Diese Verluste hängen vom Verhältnis der Temperaturen hinter der Brennkammer und hinter dem Verdichter ab. Eine Temperaturerhöhung vor der Turbine mindert nur dann nicht den Wirkungsgrad, wenn sie von einem solchen Anwachsen des Druckverhältnisses begleitet wird, bei dem sich das obengenannte Temperaturverhältnis verringert.

Die Verluste an kinetischer Energie im inneren und äusseren Strom haben sich von 24 % bei Triebwerken der 1.Generation auf 16 % bei Triebwerken der 3. Generation verringert. Wegen des grossen Luftdurchsatzes der neuen Triebwerke spielen auch Verluste eine Rolle, die mit der Reibung des Gasstromes im Triebwerksinneren, in der wandungsnahen Schicht und mit der Turbulenz in Verdichter und Turbine zusammenhängen. Der Vervollkommnung dieser Elemente wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt, um Energieverluste dank der Verbesserung des thermodynamischen Prozesses zu vermeiden. Vergleiche zeigen, dass die benötigte Energie bei Triebwerken der 3. Generation vollständiger genutzt wird. In 15 Jahren wurde der allgemeine Wirkungsgrad der Triebwerke von 21,5 % auf 35 % gesteigert, das heisst um 63 % erhöht.
Eine weitere Verbesserung des thermodynamischen Prozesses ist durch den Einsatz neuer hitzebeständiger Werkstoffe und wirksamerer Kühlverfahren für die Turbinenschaufeln möglich.

Der Gesamtwirkungsgrad des Triebwerkes kann durch Steigerung der Gastemperatur vor der Turbine um 8% erhöht werden, wenn man das Druckverhältnis entsprechend steigert. Dies erfordert seinerseits den Einsatz komplizierter Verdichter, eine Verringerung der Spiele und der zusätzlichen Verluste.
Senkung der Verluste im Verdichter und im Gebläse.
Bei Triebwerken der 1. Generation betrugen diese Verluste 4%, erhöhten sich dann auf 7% und erreichten bei modernen Triebwerken 9%. Daher gewinnt eine Erhöhung des Wirkungsgrades dieser Triebwerksteile, besonders des Gebläses, immer mehr Bedeutung. Ebendeshalb wurden die Gebläse der neuesten Triebwerke wesentlich verbessert und zeichnen sich durch einen kleinen relativen Nabendurchmesser und hohe Belastung der umströmten Fläche aus. Bei einem der neuesten Triebwerke wurde sowohl die Anzahl der Gebläseschaufeln als auch ihre Länge erhöht. Dadurch verringerten sich im Vergleich zum früheren Triebwerk die Rotor- und Gehäusemassen (insbesondere durch geringere Masse der Schaufeln und durch die Versetzung des Antivibrationsringes zur Peripherie). Ausserdem neigt die konische Verkleidung der Verdichternabe dieses Triebwerkes nicht zur Vereisung, so dass besondere Enteisungssysteme überflüssig sind.
Senkung der Verluste in der Turbine.
Energieverluste in den Turbinen senken den Wirkungsgrad eines Triebwerkes stark. Da der Hauptteil der Verluste Strömungsverluste am Turbinenumfang sind, wird das Spiel zwischen Schaufel und Gehäuse minimiert. In modernen Triebwerken erhält das Turbinengehäuse eine sich abarbeitende Schicht. Beim Einfahren der Turbine schneiden die Schaufelenden Rillen in diese Schicht. Es gibt bedeutende Erfolge bei der Kühlung des Gehäuses mit Heissluft zur Verringerung der Statordehnung bei konstanter Leistungsstufe und zur Minimierung der Spiele. Für eine vollständige Lösung dieses Problems muss eine "aktive" Steuerung der Spiele mittels der Gehäusekühlung gesichert werden. Die Spiele werden entsprechend dem Temperaturzustand des Triebwerks und der geforderten Leistung geregelt. Das erlaubt eine maximale Verringerung der Spiele beim Reiseflug und verhindert den Kontakt zwischen Rotor und Gehäuse bei schneller Drehzahlerhöhung, was den Wirkungsgrad der Turbine merkbar beeinflusst.
Die Vervollkommnung der Werkstoffe für die Turbinenschaufeln.
Die hohen Turbinentemperaturen moderner Triebwerke sind nur dank der Kühlung der Turbinenschaufeln vertretbar. Die Bemühungen der Triebwerkskonstrukteure sind auf die Sicherung der notwendigen Kühlung bei minimalem Luftverbrauch gerichtet. Es werden auch kompliziertere Kühlsysteme mit differenzierter Luftzufuhr an die verschiedenen Bereiche der Rotorschaufeln entwickelt. Gegenwärtig wird eine Differenz zwischen Gastemperatur und mittlerer Temperatur des Metalls von 350 K erreicht. Dazu sind jedoch 4 % des gesamten Luftdurchsatzes nötig, was beim Reiseflug zu einer Steigerung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs um 3 % und beim Start zu einer Schrbminderung von 5 % führt. Die Suche nach neuen Werkstoffen mit hoher Festigkeit ist auf die Lösung dieser Aufgabe mit Hilfe eutektischer Legierungen und nichtmetallischer Werkstoffegerichtet.
Mischer und Wärmetauscher.
Der Austritt einer grossen Gasmenge mit einer im Verhältnis zur Aussenluft hohen Temperatur führt zu Verlusten an Wärmeenergie. In einem gewöhnlichen ZTL hat der äussere Strom eine um 50 K höhere Temperatur als die umgebende Luft. Die Temperatur des inneren Stroms ist annähernd 500 K höher. Bei einem ZTL mit getrenntem innerem und äusserem Strom betragen die mit dem Austritt der heissen Gase verbundenen Verluste 16 %. Die Verluste hängen von der Temperaturdifferenz des heissen Strahls und der Umgebungsluft ab, man kann sie durch Mischen des inneren und äusseren Stromes verringern. In einem modernen Triebwerk mit dem Massenstromverhältnis von 5 muss die theoretische Gemischtemperatur 125° C betragen. Im Idealfall kann sich der Kraftstoffverbrauch durch das Mischen um 5 % verringern. Bedeutend einfacher lässt sich eine grosse Kraftstoffeinsparung durch das Mischen der Ströme beim Eintritt in die Schubdüse erzielen. Bei unvollständiger Mischung der Ströme, wenn das Mischungsverhältnis etwa 0,7 beträgt, verringert sich die Gastemperatur des heissen Strahls nicht auf den theoretischen Wert von 120° C, sondern nur auf 300° C, was offensichtlich zu einem geringeren Gewinn führt. Ausserdem muss man berücksichtigen, dass die Konstruktion durch das Vorhandensein eines Mischers schwerer wird, so dass der Kraftstoffverbrauch für einen Flug über eine bestimmte Entfernung ebenfalls zunimmt. Die Verlängerung der Triebwerksgondel führt auch zu einem höheren aerodynamischen Widerstand. Daher werden gegenwärtig Untersuchungen hinsichtlich eines optimalen Mischers gerührt. Die beste Möglichkeit, Wärmeverluste zu vermeiden, wäre die Organisation des Wärmeaustausches zwischen dem Abgasstrom mit dem Strom hinter dem Verdichter mittels eines Wärmetauschers. Ein so gebautes Triebwerk würde hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs einem modernen ZTL entsprechen, käme aber mit einem kleineren Verdichtungsgrad und niedrigerer Temperatur vor der Turbine aus.


 
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Datum der letzten Änderung : Jena, den: 28.05. 2017