Statische Bestimmtheit

Statische Bestimmtheit ist in der Statik eine Eigenschaft der Lagerung von einem oder mehreren Körpern (auch bei deren Lagerung gegeneinander). Ein Körper ist statisch bestimmt gelagert, wenn alle Lagerreaktionen allein aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden können, und keine Starrkörperbewegungen zulassen.

Ein System ist statisch bestimmt gelagert

  1. wenn dieses so gelagert und zusammengebaut werden kann, dass keine Zwängung (Vorverformung einzelner Bauteile) entsteht,
    sekundäre Verformungen durch Wärmedehnung oder Versetzen der Lager-Fundamente das Tragwerk nicht beanspruchen und
    sich die beim Gebrauch des Tragwerks entstehenden Kräfte in den Lagern und inneren Verbindungen und die Beanspruchungen in den Querschnitten der Bauteile allein aus der Bedingung, dass die Summe der Kräfte und Momente in jeder der drei Hauptrichtungen des Raums Null ist (Gleichgewichtsbedingungen), bestimmen lassen;
  2. wenn dieses sich weder an seinen äußeren Festhaltungen (Lagern) noch an seinen inneren Verbindungsstellen sich im Sinne von Starrkörper bewegen kann.

Wenn Bedingung 1 nicht erfüllt ist, liegt statische Überbestimmtheit (anderer Begriff: statische Unbestimmtheit) vor. Auf diese Weise ausgeführte Tragwerke haben oft eine größere Stabilität, aber auch höhere Eigenspannungen, im Allgemeinen sind die Lagerreaktionen als auch die Schnittreaktionen nicht nur mit Gleichgewichtsbedingungen lösbar.
Wenn Bedingung 2 nicht erfüllt ist, liegt statische Unterbestimmtheit vor. Derartig ausgeführte Tragwerke hätten in den inneren oder äußeren Verbindungen im Minimum eine nicht unterbundene Bewegungsfreiheit und wären beweglich.[1]

Relationen zwischen Reaktionen und Bewegungsmöglichkeiten

Zur Bestimmung der Auflagerreaktionen und der Schnittgrößen reichen für statisch bestimmte Systeme in der Theorie I. Ordnung die Gleichgewichtsbedingungen aus.

Grad der statischen Unbestimmtheit

Der Grad der statischen Unbestimmtheit wird in der Baustatik mit der ganzzahligen Größe  {\displaystyle n\neq 0}  angegeben:

 n > 0     statisch überbestimmt, statisch unbestimmt ,
({\displaystyle n=0}       i.d.R. statisch bestimmt,)
{\displaystyle n<0}     statisch unterbestimmt, kinematisch.

Aufbau/Abbaukriterium

Beim Aufbaukriterium ist es zielführend von einem statisch bestimmten Grundsystem auszugehen und durch Ergänzen/Entfernen von Bindungswertigkeiten/Lagerreaktionen das gewünschte System zu bekommen. Hierbei startet man üblicherweise bei einem

Beispiel: Bei einem System ist die statische Unbestimmtheit gesucht Es wird ein (ähnliches) statisch bestimmtes Grundsystem gewählt und anschließend statisch bestimmte Kragarme hinzugefügt. Man fügt Bindungen und Lagerreaktionen hinzu (bzw. bei kinematischen Systemen entfernt sie) und zählt ihre Wertigkeit zusammen.

Allgemeines Abzählkriterium

Die Bestimmung von n kann mit der folgenden, als Abzählkriterium bekannten Formel erfolgen:

ebene Tragwerke: {\displaystyle n=j+s-3k\ ,}
räumliche Tragwerke: {\displaystyle n=j+s-6k\ .}

Hierbei sind:

j : Summe der in den Auflagern unterbundenen Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der Auflager)
s : Summe der in den Verbindungen unterbundenen Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der Verbindungen),
k : Anzahl der starren Bauteile.
Gerberträger: j = 5, s = 4, k = 3

Rechenbeispiel: (ebener) Starrkörper-Gerberträger

{\displaystyle n=5+4-3\cdot 3=0}       ⇐       der Gerberträger ist ein statisch bestimmtes Tragwerk.

Mit dem Abzählkriterium ermittelte statische Unbestimmtheit entspricht immer der Realität, aber nicht immer ermittelte statische Bestimmtheit. Unter- und Überbestimmtheiten können sich bei diesem Verfahren gegenseitig aufheben. Beispiel hierfür ist ein zweiteiliger Balken, der auf drei Loslagern liegt: Trotz ermitteltem n = 0 ist er offensichtlich nicht statisch bestimmt.

Abzählkriterium für ebene Fachwerke

ein ebenes Fachwerk:
z = 5, a = 4, s = 6

Für ebene ideale Fachwerke kann ein vereinfachtes Abzählkriterium verwendet werden, da alle Stäbe beidseitig gelenkig verbunden sind:

n=a+s-2z

Hierbei sind:

a: Summe der in den Auflagerdrehgelenken unterbundenen Bewegungsmöglichkeiten (Wertigkeiten der Auflager)
s: Anzahl der Stäbe
z: Anzahl der Drehgelenke (Auflager + Verbindungen).

Dieses Abzählkriterium ergibt sich daraus, dass bei Fachwerken in den Auflagern und Verbindungen nur Drehgelenke vorkommen (oder als solche bewertet werden).

Beispiel: nebenstehend abgebildetes Fachwerk

{\displaystyle n=4+6-2\cdot 5=0}       ⇐       das nebenstehend abgebildete Fachwerk ist statisch bestimmt.

Auch das Abzählkriterium für Fachwerke ist nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Nachweis statischer Bestimmtheit.

Gleichgewichtsbedingungen

Alle statisch bestimmte Systeme können mit den Gleichgewichtsbedingungen, auch Äquivalenzbedingungen, berechnet werden.

Ebenes System

Statisch bestimmtes System in der Ebene: Balken mit Festlager (links) und Loslager (rechts)

In einem starren ebenen System existieren drei Freiheitsgrade: Zwei translatorische Freiheitsgrade und ein rotatorischer Freiheitsgrad. Um ein bestimmtes Gleichungssystem zu erhalten, sind daher drei Gleichungen nötig. Jede dieser drei Gleichungen behandelt somit eine Bewegungsrichtung. Die Summe der Horizontalkräfte, die Summe der Vertikalkräfte sowie die Summe der Momente für einen festgelegten Bezugspunkt A müssen bei einem Gleichgewichtssystem 0 sein:

\sum {F_{H}=0},\;\sum {F_{V}=0},\;\sum {M_{A}=0}

Der Äquivalenzsatz für allgemeine Kräftesysteme, der auf die Reduktion auf Dynamen beruht, besagt, dass bei den Gleichgewichtsbedingungen Kräftegleichungen durch Momentengleichungen ersetzt werden dürfen. Mögliche Gleichgewichtsbedingungen in der Ebene sind damit auch:

\sum {F_{H}=0},\;\sum {M_{A}=0},\;\sum {M_{B}=0}
\sum {F_{V}=0},\;\sum {M_{A}=0},\;\sum {M_{B}=0}
\sum {M_{A}=0},\;\sum {M_{B}=0},\;\sum {M_{C}=0}

Bei dieser Vorgehensweise muss jedoch auf möglicherweise auftretende lineare Abhängigkeiten geachtet werden. Werden beispielsweise nur Momentengleichungen verwendet und liegen alle Bezugspunkte auf einer Geraden, so liegt keine gültige Äquivalenzbedingung vor.

In einem zentralen Kräftesystem, also einem Kräftesystem, in dem sich die Wirkungslinien aller Kräfte in einem Punkt schneiden, treten keine Momente auf, sodass hier nur zwei Gleichungen nötig sind:

\sum {F_{H}=0},\;\sum {F_{V}=0}

Räumliches System

Im Raum gibt es drei translatorische und drei rotatorische Freiheitsgrade, somit umfassen die Gleichgewichtsbedingungen hier sechs Gleichungen: Drei Gleichungen behandeln die Kraft in jede der drei Koordinatenrichtungen, drei weitere Gleichungen das Moment in jede der drei Koordinatenrichtungen:

\sum {F_{X}=0},\;\sum {F_{Y}=0},\;\sum {F_{Z}=0},\;\sum {M_{{AX}}=0},\;\sum {M_{{AY}}=0},\;\sum {M_{{AZ}}=0}

Auch im Raum ist es möglich, eine oder mehrere Kräftegleichungen durch Momentengleichungen zu ersetzen.

Schnittgrößen infolge Zwang

Verformungen durch Verschiebungen und Verdrehungen der Lager, Temperaturdehnungen, Kriechen und Schwinden von Beton verursachen in statisch bestimmten Systemen im Allgemeinen keine Schnittgrößen, jedoch können Eigenspannungen auftreten. Durch Verformungen, können z.B. Schiefstellung von Stützen hervorgerufen werden, was i.d.R zu einer Änderung der Schnittgroßen führt. Vor allem im Verbundbau dürfen Eigenspannungen zufolge Verformungen im Allgemeinen selbst bei statisch bestimmten Systemen nicht vernachlässigt werden, man spricht dann von so genannten primären Zwängsspannungen, welche (ohne äußerer Belastung) bei statisch überbestimmten Systemen zu sekundären Zwängsspannungen führt. In statisch unbestimmten Systemen hingegen entstehen im Allgemeinen Schnittgrößen durch diese Einwirkungen. Bei Berechnung von statischen (bzw. dynamischen) Systemen, sind im Allgemeinen Zwängsspannungen zu berücksichtigen.

Innere und äußere statische Bestimmtheit

Bei einer Reihe von Stabtragwerken ist es zweckmäßig und anschaulich, zwischen äußerer und innerer statischer Bestimmtheit zu unterscheiden. Ein System oder Systemteil ist äußerlich statisch bestimmt, wenn die äußeren Lagerreaktionen allein mit den Gleichgewichtsbedingungen aus der Belastung berechnet werden können. Ein System heißt innerlich statisch bestimmt, falls die Schnittgrößen an geschnittenen Teilsystemen mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen aus der Belastung berechnet werden können.

Beispiele

>Der Einfeldträger wird häufig als Grundbeispiel für ein statisches System angeführt
Ein Dreigelenkbogen

Statisch bestimmte Systeme sind zum Beispiel:

Statisch unbestimmte Systeme sind zum Beispiel:

Beispiele für ein äußerlich bestimmtes, aber innerlich unbestimmtes System:

Anmerkungen

  1. Die statische Unterbestimmtheit ist andererseits Bedingung für das „Laufen“ von Getriebemechanismen (kinematische Bauteil-Ketten).
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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 17.04. 2024