Haar

Haare (lat. pili, capillus, crinis, coma) sind lange Hornfäden. Sie bestehen im Wesentlichen aus Keratin. Haare in diesem Sinne kommen nur bei Säugetieren vor, die alle auf ihrer Haut zumindest teilweise Haare tragen. Die Schleimhäute sind immer unbehaart. Mit wenigen Ausnahmen (Handflächen, Fingerinnenseiten, Fußsohlen, Brustwarzen, Lippenrot) ist die gesamte äußere Haut des Menschen behaart.

Schematischer Querschnitt durch die Haut mit Haarfollikel

Das Haarorgan

Aufbau

Das Haar ist grob in drei Schichten aufgebaut, Cuticula, Cortex und Medulla.

Die äußerste Schicht, Cuticula oder Schuppenschicht genannt, besteht aus flachen, übereinandergreifenden, verhornten, abgestorbenen Zellen, ähnlich zur Haarspitze orientiert wie bei einem Tannenzapfen. Sie besteht aus sechs bis zehn solcher Zelllagen. Die Schuppenschicht zeigt den Gesundheitszustand des Haares an. Beim gesunden Haar liegt die Schuppenschicht flach an und ergibt so eine glatte, durchscheinende Oberfläche. Das Licht wird optimal reflektiert und ergibt so den gesunden Glanz des Haares. Alkalisches Milieu öffnet die Schuppen, saure Umgebung verschließt sie.

Der Cortex ("Rinde") - auch Faserschicht oder Faserstamm genannt - macht ca. 80% des Haaranteils aus. Hier spielen sich alle für den Friseur relevanten chemischen Prozesse ab. Der Cortex besteht aus Faserbündeln, die aus einer großen Zahl feinster Keratinfasern, den Fibrillen, bestehen. Diese entstehen vermutlich dadurch, dass sich Cortexzellen aneinanderlagern. Die Verbindung zwischen den beiden Zellen wird durch den Zellmembrankomplex hergestellt, den man sich als eine Art Kittsubstanz vorstellen kann. Die Reißfestigkeit und Elastizität des Haares sind auf diese Verkittung zurückzuführen.

Im Inneren des Haares befindet sich die Medulla (Haarmark). Sie besteht aus Zellwandungen, Abbauprodukten der Cortexzellen und Fetten. Der Markkanal ist für den Aufbau und die Struktur des Haares ohne Bedeutung.

Haarwurzel

Schnitt durch die Haarzwiebel
Schnitt durch die Haarzwiebel
Schematischer Längsschnitt der Haarwurzel
Schematischer Längsschnitt der Haarwurzel

Der in die Haut versenkte Teil des Haares wird als Haarwurzel (Radix pilii) bezeichnet. Im unteren Bereich der Lederhaut entsteht das Haar an der Haarpapille. Im Bildungsbereich, der Matrix, lagern zahlreiche Melanozyten, die ihre Pigmente an das entstehende Haar abgeben. Die keratinreichen Hornzellen wandern nach oben und bilden dabei den Haarschaft, der sich innerhalb des Follikels zur Hautoberfläche schiebt.

Haarfollikel (Haarbalg)

Der Haarschaft liegt in einer länglichen Einstülpung der Oberhaut, dem Haarfollikel oder Haarbalg, an dessen unteren Ende das Haar in der Haarwurzel gebildet wird. In den Follikel mündet eine Talgdrüse, teilweise auch eine Duftdrüse.

Der Haarfollikel ist seiner Länge nach von einer inneren und einer äußeren epithelialen Haarwurzelscheide umgeben.
Die äußere Haarwurzelscheide kann als Fortsetzung des Stratum basale epithelii (= Stratum germinativum epithelii) in den Haartrichter aufgefasst werden. Unter dem Haartrichter versteht man die trichterförmige Einsenkung der Haut an der Stelle wo das Haar vom Haarschaft (Scapus) in die Haarwurzel (Radix pili) übertritt (den Ort also, wo das Haar in der Haut "verschwindet"). Daraus folgt, dass die äußere Haarwurzelscheide bloß den in der Haut verlaufenden Teil des Haares, die Haarwurzel also, umgibt, respektive bildet sie (innerhalb der Haut) eine Hülle um die innere Haarwurzelscheide.
Die innere Haarwurzelscheide umgibt sowohl die Haarwurzel, als auch den Haarschaft (den Teil des Haares also, der aus der Haut herausschaut) und stammt von am äußeren Rand des Haares gelegenen Matrixzellen ab, sie lässt sich weiter untergliedern in:

Die Zellen der inneren Haarwurzelscheide verhornen und beteiligen sich am Aufbau des fertigen Haares.

Am äußeren Rand setzt, außer bei Primärhaaren (Deck- und Fellhaare), der kleine Haaraufrichtemuskel (Musculus arrector pili, auch Haarbalgmuskel) an. Er besteht aus glatter Muskulatur und entspringt von der oberflächlichen Schicht der Lederhaut und setzt unterhalb der Talgdrüse am Haar an. Der Musculus arrector pili richtet das Haar bei psychischen Einflüssen wie Erregung und Wut auf: "Es stehen die Haare zu Berge", "das Fell sträubt sich". Die Innervation erfolgt unwillkürlich durch sympathische Nervenfasern. Auch bei Kälte richten sich die Haare durch diesen Muskel auf. Beim Menschen nennt man die durch das Aufrichten der Haare (Piloerektion) entstehende Hautstruktur auch Gänsehaut. Der Sinn dieser Aufrichtung der Haare besteht in einem vermehrten Einschluss von Luft, der den Schutz gegen Kälte (Wärmedämmung) erhöht. Des Weiteren drückt der Haarbalgmuskel beim Aufrichten auf die Talgdrüsen und entleert sie. Als Kälteschutz gelangt so vermehrt Talg auf die Hautoberfläche, der vor weiterer Kühlung durch Schweißverdunstung schützt. Beim Menschen hat dieser Mechanismus allerdings aufgrund der geringen Haardichte kaum einen Effekt.

Schließlich umwickeln einige Nervenfasern den Follikel und erfüllen als Haarfollikelrezeptoren Tastfunktionen.

Feinaufbau des Cortex

Der Cortex (Faserstamm) besteht aus langgestreckten, ca. 5 µm dicken Cortexzellen. In den Cortexzellen sind 20 - 30 Makrofibrillen eingelagert, die den Haaren die Festigkeit geben. Eine Makrofibrille (Durchmesser 300 nm) enthält Hunderte von Mikrofibrillen (Durchmesser 7 - 10 nm), diese wiederum Protofibrillen, bestehend aus helixförmigen Keratin-Molekülen. Die Fasern sind untereinander über Schwefelbrücken verbunden und mechanisch miteinander verdrillt. Die Cortexzellen sind in eine Art Kitt eingebettet (isotropes Keratin).

Haararten beim Menschen

Man kann drei Haarsorten unterscheiden:

Zahlen beim Menschen

Wachstumsrate und Haardicke sowie die Anzahl der Haare sind genetische Faktoren bestimmt und somit bei jeder Person unterschiedlich. Dennoch schwankt die Anzahl der Haare je nach Haarfarbe innerhalb bestimmter Bereiche. So haben Blonde durchschnittlich 150.000, Schwarzhaarige 110.000, Brünette 100.000 und Rothaarige 75.000 Haare.

Haare wachsen ständig, auch bei Menschen, die im Koma liegen. Dagegen beruht das scheinbare Wachstum der Barthaare bei kürzlich Verstorbenen auf der Schrumpfung der Haut durch Wasserverlust.

Nur wenige Hautregionen sind vollständig ohne Behaarung: Handinnenflächen, Fußsohlen, Nagelbetten, Lippen, Brustwarzen und alle Schleimhäute.

Haarformen

Die Art der Haarausbildung (glatt, gewellt, gelockt) hängt maßgeblich von der Haarform, also dem Haarquerschnitt, ab. Haare von Ostasiaten haben einen runden Querschnitt, wodurch sie meist sehr glatt sind. Der europäische Typ weist zumeist einen runden bis ovalen Querschnitt auf, wodurch die Haare glatt sind oder zur Bildung von Locken neigen. Afrikanische Menschen haben dagegen Haare mit stark elliptischem Querschnitt. Darum bilden ihre Haare meist sehr starke, kleine Locken (Kraushaar).

Eine besondere Haarform mit scheinbar spiralig zusammengedrehten Haarbüscheln, zwischen denen die Kopfhaut sichtbar ist, wird als Filfil oder „Pfefferkornhaar“ bezeichnet. Sie kommt nahezu ausschließlich bei den Nachkommen der ältesten menschlichen Population vor, die nach Untersuchungen von Humangenetikern vor ungefähr 200–300.000 Jahren von jenen anderer Populationen abzweigte und die heute bei den Khoisan und den Mbuti-Pygmäen zu finden ist.

Haarwachstum

Haare wachsen in Zyklen, ein Haarfollikel durchläuft dabei mehrere Phasen, die als Haarzyklus bezeichnet werden. Kopfhaare wachsen pro Tag 0,3 bis 0,5 mm, in einem Jahr ca. 15 cm. Für die resultierende Haarlänge ist aber neben der Wachstumsleistung auch die Dauer des anhaltenden Wachstums entscheidend. Während viele Tiere saisonalbedingt ein oder zweimal im Jahr Haarausfall erleben, wächst das Haupthaar des Menschen über mehrere Jahre hindurch, bei Frauen länger als bei Männern, bis zum Ausfall des (langen) Haares.

Die verbreitete Annahme, Körperhaare (Barthaare, Beinhaare) würden durch regelmäßiges Rasieren schneller oder vermehrt wachsen, ist falsch.

Haarzyklus


 
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 22.10. 2023