Tschebyschow-Polynom

Tschebyschow-Polynome erster Art T_n(x) und zweiter Art U_{n}(x) sind Folgen orthogonaler Polynome, die bedeutende Anwendungen in der Polynominterpolation, in der Filtertechnik und in anderen Gebieten der Mathematik haben. Sie sind benannt nach Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow, dessen Name in der Literatur auch als Tschebyscheff, Tschebycheff, Tschebyschew, Tschebyschev, Chebyshev oder Chebychev transkribiert wird.

Tschebyschow-Polynome erster Art sind Lösung der Tschebyschow-Differentialgleichung

\left(1-x^{2}\right)\,y''-x\,y'+n^{2}\,y=0,

und Tschebyschow-Polynome zweiter Art sind Lösung von

\left(1-x^{2}\right)\,y''-3x\,y'+n(n+2)\,y=0.

Beide Differentialgleichungen sind spezielle Fälle der Sturm-Liouvilleschen Differentialgleichung.

Tschebyschow-Polynome erster Art

Die Funktionen

{\begin{aligned}y_{g}(x)&=1+\sum _{{p=1}}^{\infty }{\frac  {\prod _{{k=0}}^{{p-1}}\left(\left(2k\right)^{2}-n^{2}\right)}{(2p)!}}x^{{2p}}=1+\sum _{{p=1}}^{\infty }(-1)^{p}{\frac  {\prod _{{k=0}}^{{p-1}}\left(n^{2}-\left(2k\right)^{2}\right)}{(2p)!}}x^{{2p}}\\&=1-{n^{2} \over 2!}\,x^{2}+{n^{2}\,\left(n^{2}-4\right) \over 4!}\,x^{4}-{n^{2}\,(n^{2}-4)\,\left(n^{2}-16\right) \over 6!}\,x^{6}\pm \cdots \end{aligned}}

und

{\begin{aligned}y_{u}(x)&=x+\sum _{{p=1}}^{\infty }{\frac  {\prod _{{k=0}}^{{p-1}}\left(\left(2k+1\right)^{2}-n^{2}\right)}{(2p+1)!}}x^{{2p+1}}=x+\sum _{{p=1}}^{\infty }(-1)^{p}{\frac  {\prod _{{k=0}}^{{p-1}}\left(n^{2}-\left(2k+1\right)^{2}\right)}{\left(2p+1\right)!}}x^{{2p+1}}\\&=x-{n^{2}-1 \over 3!}\,x^{3}+{\left(n^{2}-1\right)\,\left(n^{2}-9\right) \over 5!}\,x^{5}\mp \cdots \end{aligned}}

bilden ein Fundamentalsystem für die Tschebyschow-Differentialgleichung.

Tschebyschow-Polynome erster Art der Ordnung 0 bis 5.

Für ganzzahlige n bricht jeweils eine dieser Reihen nach endlich vielen Gliedern ab, y_{g}(x) für gerade und y_{u}(x) für ungerade n, und man erhält Polynome als Lösung. Mit der Normierung T_{n}(1)=1 werden diese als Tschebyschow-Polynome T_n(x) bezeichnet. Die ersten neun Polynome dieser Art sind:

{\displaystyle {\begin{aligned}T_{0}(x)&=1\\T_{1}(x)&=x\\T_{2}(x)&=2x^{2}-1\\T_{3}(x)&=4x^{3}-3x\\T_{4}(x)&=8x^{4}-8x^{2}+1\\T_{5}(x)&=16x^{5}-20x^{3}+5x\\T_{6}(x)&=32x^{6}-48x^{4}+18x^{2}-1\\T_{7}(x)&=64x^{7}-112x^{5}+56x^{3}-7x\\T_{8}(x)&=128x^{8}-256x^{6}+160x^{4}-32x^{2}+1\\\end{aligned}}}

Sie können in allgemeiner Weise aus dem rekursiven Zusammenhang

T_{{n+1}}(x)=2x\,T_{n}(x)-T_{{n-1}}(x)

berechnet werden. Mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen bzw. der Hyperbelfunktionen sind die Tschebyschow-Polynome darstellbar als

T_{n}(x)={\begin{cases}\cos \left(n\,\arccos x\right)&{\mathrm  {f{\ddot  {u}}r}}\quad x\in [-1,1]\\\cosh \left(n\,{{\rm {arcosh}}}(x)\right)&{\mathrm  {f{\ddot  {u}}r}}\quad x>1\\(-1)^{n}\cosh \left(n\,{{\rm {arcosh}}}(-x)\right)&{\mathrm  {f{\ddot  {u}}r}}\quad x<-1\end{cases}}

oder

T_{n}(\cos \theta )=\,\!\cos(n\theta )

und auch

{\displaystyle T_{n}(x)={\frac {{\bigl (}x+{\sqrt {x^{2}-1}}{\bigr )}^{n}+{\bigl (}x-{\sqrt {x^{2}-1}}{\bigr )}^{n}}{2}}}.

Die n Nullstellen des Tschebyschow-Polynoms T_n(x) sind gegeben durch

\cos \left({\tfrac  {2j+1}{2n}}\,\pi \right)\quad {\mathrm  {f{\ddot  {u}}r}}\quad j=0,\ldots ,n-1

Tschebyschow-Polynome T_n(x) sind im geschlossenen Intervall [-1,1] orthogonal bezüglich des gewichteten Skalarproduktes

{\displaystyle \langle f,g\rangle =\int _{-1}^{1}f(x)\cdot g(x)\cdot {\frac {1}{\sqrt {1-x^{2}}}}\,\mathrm {d} x}

Man kann sich diese daher auch über das Gram-Schmidtsche Orthogonalisierungsverfahren (mit Normierung) herleiten.

Anwendungen

In der Filtertechnik werden die Tschebyschow-Polynome bei den Tschebyscheff-Filtern verwendet. Bei der Polynominterpolation zeichnen sich diese Polynome durch einen sehr günstigen, gleichmäßigen Fehlerverlauf aus. Dazu sind als Interpolationsstellen die geeignet verschobenen Nullstellen des Tschebyschow-Polynoms passenden Grades zu verwenden. Wegen ihrer Minimalität bilden sie auch die Grundlage für die Tschebyschow-Iteration und für Fehlerschranken bei Krylow-Unterraum-Verfahren für Lineare Gleichungssysteme.

Tschebyschow-Polynome zweiter Art

Tschebyschow-Polynome zweiter Art der Ordnung 0 bis 5.

Auch die Tschebyschow-Polynome zweiter Art U_{n}(x) werden über eine rekursive Bildungsvorschrift definiert:

{\displaystyle {\begin{aligned}U_{0}(x)&=1\\U_{1}(x)&=2x\\U_{n+1}(x)&=2xU_{n}(x)-U_{n-1}(x),\end{aligned}}}

bemerkenswerterweise mit derselben Rekursionsbeziehung wie die T_n. Und diese Rekursionsbeziehung gilt mit

  {\displaystyle U_{-1}(x)=0}

auch für n=0.

Die erzeugende Funktion für U_{n} ist:

\sum _{{n=0}}^{{\infty }}U_{n}(x)t^{n}={\frac  {1}{1-2tx+t^{2}}}

Die ersten acht Polynome dieser Art sind:

{\begin{aligned}U_{0}(x)&=1\\U_{1}(x)&=2x\\U_{2}(x)&=4x^{2}-1\\U_{3}(x)&=8x^{3}-4x\\U_{4}(x)&=16x^{4}-12x^{2}+1\\U_{5}(x)&=32x^{5}-32x^{3}+6x\\U_{6}(x)&=64x^{6}-80x^{4}+24x^{2}-1\\U_{7}(x)&=128x^{7}-192x^{5}+80x^{3}-8x\end{aligned}}

Mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen sind die Tschebyschow-Polynome zweiter Art zunächst nur für {\displaystyle \theta \in \mathbb {R} \setminus \pi \mathbb {Z} } darstellbar als

{\displaystyle U_{n}(\cos \theta )={\frac {\sin {\big (}(n+1)\theta {\big )}}{\sin \theta }},}

wegen der stetigen Hebbarkeit an diesen Stellen aber für alle {\displaystyle \theta \in \mathbb {R} }. Diese Formel hat große strukturelle Ähnlichkeit zum Dirichlet-Kern {\displaystyle D_{n}(x)}:

{\displaystyle D_{n}(x)={\frac {\sin \left((2n+1){\dfrac {x}{2}}\right)}{\sin {\dfrac {x}{2}}}}=U_{2n}\left(\cos {\frac {x}{2}}\right).}

Nimmt man Hyperbelfunktionen mit hinzu, dann ist für {\displaystyle x\in \mathbb {R} \setminus \{-1,1\}}

{\displaystyle U_{n}(x)={\begin{cases}\sin \left((n+1)\,\arccos x\right)/{\sqrt {1-x^{2}}}&\mathrm {f{\ddot {u}}r} \quad |x|<1\\\sinh \left((n+1)\,{\rm {arcosh}}\,x\right)/{\sqrt {x^{2}-1}}&\mathrm {f{\ddot {u}}r} \quad |x|>1\end{cases}}}

Tschebyschow-Polynome U_{n}(x) sind im abgeschlossenen Intervall [-1,1] orthogonal bezüglich des gewichteten Skalarproduktes

{\displaystyle \langle f,g\rangle =\int _{-1}^{1}f(x)\cdot g(x)\cdot {\sqrt {1-x^{2}}}\,\mathrm {d} x}

Historie

Erstmals veröffentlichte Tschebyschow seine Untersuchungen zu den Tschebyschow-Polynomen 1859 und 1881 in folgenden Aufsätzen:

Clenshaw-Algorithmus

Hauptartikel: Clenshaw-Algorithmus

In der numerischen Mathematik werden Linearkombinationen von Tschebyschow-Polynomen mit dem Clenshaw-Algorithmus ausgewertet.

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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 13.02. 2023