Kotangentialraum

In der Differentialgeometrie, einem Teilgebiet der Mathematik, ist der Kotangentialraum ein Vektorraum, der einem Punkt einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M zugeordnet wird. Es ist der Dualraum des entsprechenden Tangentialraums.

Definition

Sei M eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und T_pM ihr Tangentialraum am Punkt p\in M. Dann ist der Kotangentialraum definiert als der Dualraum von T_pM. Das heißt, der Kotangentialraum besteht aus allen Linearformen auf dem Tangentialraum T_pM.

Alternative Definition

Im Folgenden wird ein anderer Zugang dargestellt, bei dem der Dualraum direkt definiert wird, ohne Bezugnahme auf den Tangentialraum.

Es sei M eine n-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Weiter seien {\displaystyle \Gamma _{p}} die Menge aller glatten Kurven durch p\in M

{\displaystyle c\colon (-\epsilon ,\epsilon )\to M\,,\qquad c(0)=p}

und {\displaystyle C_{p}^{\infty }} die Menge aller glatten Funktionen, die in einer Umgebung U_p von p definiert sind:

{\displaystyle f\colon U_{p}\to \mathbb {R} }.

Bezeichnet man mit {\displaystyle \sim _{p}} folgende Äquivalenzrelation auf {\displaystyle C_{p}^{\infty }}

{\displaystyle f\sim _{p}g\qquad :\Leftrightarrow \qquad \exists U_{p}} Umgebung von p mit {\displaystyle f|U_{p}=g|U_{p}},

dann ist der Faktorraum {\displaystyle {\mathcal {F}}_{p}:=C_{p}^{\infty }/\sim _{p}} der Vektorraum der Keime über p. Über

{\displaystyle \langle [f]_{p},c\rangle :={\frac {\operatorname {d} }{\operatorname {d} t}}{\Big |}_{t=0}f\circ c(t)}

wird dann eine formale Paarung {\displaystyle \langle \cdot ,\cdot \rangle :{\mathcal {F}}_{p}\times \Gamma _{p}\to \mathbb {R} } definiert, die in der ersten Komponente linear ist. Nun ist

{\displaystyle {\mathcal {N}}_{p}:=\{[n]_{p}\in {\mathcal {F}}_{p}|\forall c\in \Gamma _{p}:\langle [n]_{p},c\rangle =0\}}

ein linearer Unterraum von {\displaystyle {\mathcal {F}}_{p}}, genauer gesagt der Nullraum bzgl. \langle \cdot ,\cdot \rangle und

{\displaystyle T_{p}^{*}M:={\mathcal {F}}_{p}/{\mathcal {N}}_{p}}

ist der n-dimensionale Kotangentialraum im Punkt p\in M. Für den Kotangentialvektor {\displaystyle [[f]_{p}]} schreibt man auch df_p.

Zusammenhang zum Tangentialraum

Mit der obigen Definition kann man auf {\displaystyle \Gamma _{p}} eine Äquivalenzrelation \sim wie folgt definieren:

{\displaystyle \gamma _{1}\sim \gamma _{2}\qquad \Leftrightarrow \qquad \forall df_{p}\in T_{p}^{*}M:\langle df_{p},\gamma _{1}\rangle =\langle df_{p},\gamma _{2}\rangle }

Der Faktorraum {\displaystyle T_{p}M:=\Gamma _{p}/\sim } beschreibt gerade den n-dimensionalen Tangentialraum.

Bilden nun {\displaystyle dx_{1},\ldots ,dx_{n}} eine Basis von T_{p}^{*}M, so kann man zu jedem Basisvektor einen Repräsentanten {\displaystyle x_{i}\in C_{p}^{\infty }} auswählen. {\displaystyle x=(x_{1},\ldots ,x_{n})\colon M\to \mathbb {R} ^{n}} ist eine differenzierbare Karte und für jedes i=1,\ldots,n kann man eine Kurve

{\displaystyle {\begin{matrix}\gamma _{i}\colon &(-\epsilon ;\epsilon )&\to &M\\&t&\mapsto &x^{-1}(t\cdot e_{i})\end{matrix}}}

definieren, wobei e_{i} der i-te Einheitsvektor im \mathbb {R} ^{n} ist. Wegen

{\displaystyle \langle dx_{i},[\gamma _{j}]\rangle =\delta _{ij}}

sind T_pM und T_{p}^{*}M dual zueinander und man schreibt für {\displaystyle [\gamma _{i}]={dx_{i}}^{*}} auch {\displaystyle {\tfrac {\partial }{\partial x_{i}}}}.

Rechtfertigung der Schreibweisen

Sei {\displaystyle M=\mathbb {R} ^{n}}, p\in \mathbb{R} ^{n}, {\displaystyle f\colon \mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} } eine beliebige Funktion und für i=1,\ldots,n die Kurven {\displaystyle \gamma _{i}\colon t\mapsto p+t\cdot e_{i}}, wobei e_{i} die kanonischen Basisvektoren sind. Dann ist in den obigen Schreibweisen:

{\displaystyle \langle [f]_{p},[\gamma _{i}]\rangle ={\frac {\operatorname {d} }{\operatorname {d} t}}{\Big |}_{t=0}f\circ \gamma _{i}=\lim _{h\to 0}{\frac {f(p+h\cdot e_{i})-f(p)}{h}}={\frac {\partial }{\partial x_{i}}}f(p)}

Somit ist die Schreibweise {\displaystyle [\gamma _{i}]={\tfrac {\partial }{\partial x_{i}}}} gerechtfertigt.

Weiter ist mit {\displaystyle T_{p}M=\mathbb {R} ^{n}} die lineare Abbildung {\displaystyle \langle [[f]_{p}],\cdot \rangle \colon T_{p}M\to \mathbb {R} } gerade das totale Differential {\displaystyle df(p)}. Somit ist also auch die Schreibweise {\displaystyle [[f]_{p}]=df_{p}} gerechtfertigt.

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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 25.06. 2019