Analytische Chemie
Die Analytische Chemie beschäftigt sich als Teilgebiet der Chemie mit der qualitativen und
quantitativen Analyse von chemischen und biochemischen Substanzen (in diesem
Zusammenhang als Analyte bezeichnet). Sie spielt in fast allen chemischen
Teildisziplinen eine bedeutende Rolle, zum Beispiel in der Lebensmittel- und Umweltanalytik, in der
forensischen Analytik (z. B. bei der gerichtsfesten Bestimmung von Alkohol,
Drogen oder Giften in Blut und Urin), bei Schwangerschaftstests (durch Nachweise
eines Steroidhormons in Urin), der Bestimmung von Glucose im Blut, im großen
Feld der klinisch-chemischen Analytik (z. B. von Stoffwechselparameters oder
Tumormarkern), in der Qualitätskontrolle industrieller Produkte wie z. B. von
Metallen und Legierungen, von Pharmazeutika und chemischen Produkten, in
Schadstoffanalysen direkt an Arbeitsplätzen (z. B. Lösungsmittel, Acrylester
oder Chlor), von Sauerstoff (mit Hilfe der Lambda-Sonde), Schwefeldioxid oder
Stickoxiden in Autoabgasen, oder in der Analyse von Oberflächen- und
Meeresgewässern.
Methoden der Analytischen Chemie
Die wohl wichtigste Unterscheidung ist die zwischen
qualitativer Analyse,
quantitativer
Analyse und Strukturanalytik:
- Die qualitative Analyse fragt nach dem Was im Sinne von
„Welcher Stoff ist das?“ Liegt nicht nur eine chemische
Verbindung vor, sondern ein Gemisch
vor, lautet die Frage „Welche (bio)chemischen Substanzen sind in der Probe vorhanden?“.
Grundaufgabe der qualitativen Analyse ist also die Identifikation von Stoffen,
ggf. nach vorheriger Anreicherung, Entfernung störender Stoffe, oder nach
Auftrennung.
- Die quantitative Analyse fragt dagegen nach dem Wie viel,
d.h. danach, welche Menge eines Stoffes (des Analyten) in einem Gemisch
(der Probe) vorhanden ist.
Was „wie viel“ genau bedeuten soll, ist übrigens
gar nicht so trivial. Meist ist hier die Stoffmengenkonzentration
gemeint, also die Anzahl Moleküle einer Substanz in der Probe. Dort, wo keine
einzelnen Moleküle bestimmt werden sollen, wie z. B. bei der Bestimmung des
gesamten Gehalts an Protein oder Fett wird eine Massenkonzentration
angegeben.
- Die Strukturanalyse fragt nach dem molekularen Aufbau einer
Substanz (der chemischen
Strukturformel oder der Kristallstruktur)
Qualitative und quantitative Analytik werden oft aufeinander aufbauend
durchgeführt. Voraussetzung für eine qualitative Analyse ist eine genügend große
Menge Analyt in der Probe, abhängig von der Nachweisgrenze
der verwendeten Methode. Eine Sonderstellung nimmt die Strukturbestimmung ein.
Mit dem Aufkommen moderner Kopplungsmethoden werden aber
Struktur-bestimmende Analyseverfahren auch in der qualitativen und quantitativen
Analytik immer wichtiger.
Neben der Bestimmung einzelner Stoffe eines Gemischs werden oftmals
Summenparameter bestimmt – insbesondere wenn es um schnelle Grundaussagen über
eine Probe geht. Beispiele sind der TOC
(Total Organic Carbon, ein Maß für den Gesamtgehalt organischer Verbindungen),
der CSB
(Chemischer Sauerstoffbedarf als Maß für die Gesamtmenge an oxidierbaren
Substanzen), der TEAC-Assay
(antioxidative
Kapazität einer Probe), der Gesamtgehalt an Eiweiß, Ballaststoffen oder Zucker
in Nahrungsmitteln, oder der Gesamtgehalt von aromatischen Kohlenwasserstoffen
in Treibstoffen.
In der Polymeranalytik ist speziell die Molekulargewichtsverteilung der Polymere von
Interesse, da Polymere niemals aus Molekülen gleicher Molekülmasse bestehen,
sondern um einen statistischen Mittelwert verteilt sind; diese mittlere
Molekülgröße beziehungsweise die Molekulargewichtsverteilung sind hier
spezifische Eigenschaften des Polymers.
Schließlich gibt es noch die verschiedenen Verfahren der Oberflächenanalytik.
Diese meist instrumentellen analytischen Methoden sind besonders sensitiv und
zugleich selektiv.
Nass-chemische Analysemethoden
Die nass-chemische Analytik bedient sich bei der Identifikation und
Quantifizierung überwiegend chemischer Methoden unter zur Hilfenahme einfacher
physikalischer Phänomene (Gewicht, farbige Erscheinung). Diese Methoden haben,
mit Ausnahme sogenannter Vor-Ort-Tests, keine große Bedeutung mehr. Beispiele
für qualitative Methoden sind:
Aber auch quantitative Bestimmungen lassen sich rein chemisch durchführen:
- Photometrie
Die
Stärke der Färbung der Lösung mit dem Analyten wird mit der Färbung von
Lösungen bekannter Konzentration verglichen. Bei Analyten ohne eigene,
charakteristische Färbung kann durch eine chemische Reaktion eine farbige
Verbindung erzeugt werden.
- Titration
(Volumetrie)
Zu einer Lösung des Analyten wird die Lösung eines
Reaktionspartners bekannter Konzentration langsam zugegeben. Wenn der Analyt
vollständig abreagiert ist, bewirkt der zugesetzte Reaktionspartner bzw. ein
Indikator
einen Farbumschlag, eine Niederschlagsbildung oder sonst ein deutlich
sichtbares Ereignis. Aus dem Volumen der verbrauchten Lösung des
Reaktionspartners kann man die Konzentration des Analyten errechnen.
- Gravimetrie
Der
Analyt reagiert mit einem Reaktionspartner und bildet einen unlöslichen
Niederschlag bekannter Zusammensetzung; aus dessen Gewicht wird die
Analytmenge bestimmt (daher der Name: gravis ist Latein und bedeutet
„schwer“).
Instrumentelle Analytik
Die Anzahl der Methoden der instrumentellen chemischen Analytik ist fast
schon unüberschaubar geworden ist. Die Verfahren beruhen im Wesentlichen auf
physikalischen Messprinzipien. Viele dieser Methoden sind sowohl für qualitative
als auch quantitative Bestimmungen verwendbar. Auch hier nur einige Beispiele:
- Spektroskopie
Hier
wird die Wellenlängen-abhängige Absorption oder Emission von
elektromagnetischer Strahlung benutzt, die für den jeweiligen Analyten
charakteristisch ist. Elektromagnetische Strahlung kann dabei sichtbares oder
UV-Licht sein (UV/VIS-Spektroskopie),
infrarotes Licht (IR-Spektroskopie,
Raman-Spektroskopie),
Röntgenstrahlung (Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS),
Röntgen-Fluoreszenz Analyse (RFA))
oder Gamma-Strahlung (Mößbauer-Effekt).
Zur quantitativen Elementanalytik kommen hauptsächlich zum Einsatz Atomabsorptionsspektroskopie,
Atomemissionsspektroskopie
und induktiv gekoppelte Plasmen gekoppelt mit Optischer Emissionsspektroskopie
(ICP-OES)
oder gekoppelt mit Massenspektrometrie (ICP-MS).
- Massenspektrometrie (MS)
Zunächst werden Moleküle im Hochvakuum oder bei Atmosphärendruck in der
Gasphase ionisiert. Im Hochvakuum wird am häufigsten die Elektronenstoß-Ionisation
(EI) eingesetzt. Die Analyt-Moleküle werden durch Elektronen mit einer Energie
von 10 bis 15 eV ionisiert.
Häufig wird eine Spannung von 70 Volt an den Ionenquellen angelegt, um
Massenspektren unterschiedlicher Geräte ähnlicher Quellengeometrie miteinander
vergleichen zu können. Die bei Atmosphärendruck am häufigsten eingesetzten
Methoden sind die Elektrospray-Ionisation
sowie die Atmosphärendruck
Chemische Ionisation. Es gibt weitere Ionisierungsmethoden:
Atmosphärendruck Photoionisation (APPI), Atmosphärendruck
Laserionisation (APLI),
Chemische
Ionisation (CI), Direct
Analysis at Real Time (DART), Desorption ElectroSpray Ionization (DESI),
Fast
Atom Bombardment (FAB), Felddesorption (FD), Feldionisation (FI), Matrix
Assisted Laser Desorption Ionisation (MALDI), Sekundärionen-Massenspektrometrie
(SIMS); Thermische Ionisation (TIMS). Nach der Ionisierung erfolgt der
Transport der Ionen über Beschleunigungselektroden (Einzel-Linsen) als
Ionenstrom in den Analysator. Die Massen der intakten Molekülionen und der
sog. Fragmentionen (Molekülionen können zerbrechen und dabei Fragmente bilden)
werden bestimmt. Die massenselektive Auftrennung kann mit verschiedenen
Analysatoren erfolgen: Sektorfeld-Massenspektrometer, Quadrupol-Massenspektrometer,
Flugzeit-Massenspektrometer,
Ionenfallen-Massenspektrometer,
ICP-Massenspektrometrie
(ICP-MS).
- Kernresonanz-Spektroskopie
(NMR)
Bei dieser besonderen Art der Spektroskopie werden magnetische
Wechselwirkungen zwischen Atomkernen und Elektronen in den Analyt-Molekülen
ausgenutzt. Es gibt eine unüberschaubare Zahl an speziellen Detektionsmethoden
(zum Beispiel COESY, NOESY), sog. 1D-, 2D- und 3D-NMR etc. Eine besondere
Spielart der NMR ist die sog. MRT
(Magnet-Resonanz-Tomographie), die als bildgebendes Verfahren in der Medizin
erhebliche Bedeutung gewonnen hat.
- Chromatographie
Ziel
ist hier die Trennung verschiedener Substanzen. Dazu wird das Analytgemisch in
einem Lösungsmittel (mobile Phase) gelöst, das dann eine feste
Trägersubstanz (stationäre Phase) durchströmt (Flüssigchromatographie).
Alternativ kann das Analytgemisch auch verdampft an der stationären Phase
vorbeigeführt werden (Gaschromatographie).
Durch unterschiedlich starke Wechselwirkungen mit der stationären Phase werden
manche Analyten schnell, andere langsam in Flussrichtung transportiert. Die
Wanderungsgeschwindigkeit ist für den jeweiligen Analyten
charakteristisch.
- Elektroanalytische Messmethoden
Hier werden elektrochemische
Parameter (Redoxpotentiale, elektrischer Strom, Leitfähigkeit etc.) benutzt,
um qualitative und quantitative Analysen durchzuführen. Stichworte sind Voltammetrie/Polarographie, Coulometrie, Amperometrie, Potentiometrie, Konduktometrie, Elektrogravimetrie
etc.
- Chemische
Sensoren und Biosensoren
Hierbei werden Substanzen an einer ganz
spezifisch entwickelten Sensorschicht absorbiert und über die Veränderung von
physikalischen Größen, wie z.B. Stromfluss, Spannung, elektrischer
Widerstand, Absorbanz oder Fluoreszenz erfasst. Die Sensorschicht muss
gewährleisten, dass der Sensor möglichst spezifisch für den Analyten ist.
Forschung auf dem Gebiet der Sensormaterialien ist ein wichtiges Teilgebiet
der Materialwissenschaften. Weit verbreitet sind Gassensoren.
Die Lambda-Sonde für Sauerstoff ist der weltweit am meisten produzierte
chemische Sensor.
Spektroskopische Methoden haben über ihre Anwendung in der klassischen
Analytik hinaus erhebliche Bedeutung für die Strukturaufklärung chemischer
Verbindungen. Insbesondere die Kombination mehrerer spektroskopischer Methoden
ist vor allem in der Organischen Chemie ein sehr effektives Werkzeug. Daneben
spielt die Röntgenstrukturanalyse
eine bedeutende Rolle bei der Aufklärung von Kristallstrukturen.
In der Praxis finden sich sehr oft Überschneidungen von nass-chemischer und
instrumenteller Analytik: Häufig wird eine Probe zunächst nass-chemisch
aufbereitet, um für eine instrumentelle Methode verwendbar zu sein. In der
Spurenanalytik ist oft eine vorherige Aufkonzentration erforderlich. Viele
Analyte müssen chemisch modifiziert werden (Derivatisierung oder
Markierung), damit sie instrumentell analysiert werden können.
Anwendungen
Die vielen verschiedenen Analysemethoden erlauben eine Vielzahl von
Anwendungen, beispielsweise:
- Besonders in der Umwelt-
und Lebensmittelanalytik
wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte in der Leistungsfähigkeit
analytischer Messmethoden und deren Nachweisgrenzen
gemacht. Hier, sowie in der forensischen
Chemie müssen Substanzen identifiziert und quantifiziert werden.
- Bei der Herstellung chemischer, pharmazeutischer und kosmetischer Produkte
sowie von Nahrungsmitteln sind im Rahmen der Qualitätskontrolle
chemische Analysen unumgänglich.
- Die Strukturaufklärung dient der Identifizierung neuer chemischer
Verbindungen bei der chemischen Synthese
oder bei der Erforschung neuer Naturstoffe.
Zur Überwachung von Produktionsverfahren unterscheidet man zwischen
diskontinuierlicher und kontinuierlicher Analytik. Bei diskontinuierlichen
Verfahren werden Proben entnommen und im Labor untersucht. Bei kontinuierlichen
Verfahren wird die Probe dem Produktionsstrom entnommen und direkt einem
Analysengerät zugeführt. Der ermittelte Messwert dient dabei zur Regelung,
Überwachung oder zur Qualitätssicherung. Analysengeräte für die kontinuierlichen
Analytik sind beispielsweise Infrarot-NDIR-Photometer,
chemische
Sensoren, elektrochemische Methoden z.B. Potentiometrie und Amperometrie, optische
Methoden wie Absorptiometrie und Fluoreszenz, Trennmethoden wie z. B. die Chromatographie oder
Elektrophorese, und – inzwischen seltener – Titrierautomaten.
Unter automatisierter
Analytik versteht man die Kopplung von instrumenteller Analytik und
Datenverarbeitung, wobei nach möglichst automatisierter Probenentnahme bzw.
-eingabe und Ausführung der analytischen Bestimmung die zunächst analoge
Messwerterfassung und Messwertverarbeitung nach Digitalisierung
mit Hilfe der EDV
erfolgen. Hierbei kommen für viele Methoden der instrumentellen Analytik
insbesondere bei Routinebestimmungen Vollautomaten oder Teilautomaten zum
Einsatz.
Literatur
- Ralph L. Shriner, Reynold C. Fuson, David Y. Curtin, Terence C. Morill:
The systematic identification of organic compounds - a laboratory
manual, Verlag Wiley, New York 1980, 6. edition, ISBN
0-471-78874-0.
- Technische
Universität Dresden (Hrsg.): Langenscheidts Fachwörterbuch Chemische
Analytik – Englisch-Deutsch – Deutsch-Englisch, Verlag Alexandre Hatier,
Berlin/Paris 1995, ISBN
3-86117-069-8.
- Skoog, Leary: Instrumentelle Analytik. Grundlagen, Geräte,
Anwendungen. Springer-Lehrbuch. Springer Verlag, Berlin 1996, ISBN
978-3-540-60450-1.
- Kromidas,
Stavros: Validierung in der Analytik, Wiley-VCH, Weinheim 1999, ISBN
3-527-28748-5.
- Georg Schwedt, Torsten C. Schmidt und Oliver J. Schmitz: Analytische
Chemie. Wiley-VCH, 2016, ISBN
978-3-527-34082-8.
Basierend auf einem Artikel in:
Wikipedia.de
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Jena, den: 14.08. 2024