Vom Grund der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena | Inhalt | Die transzendentale Dialektik - Einleitung
Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs
mit dem transzendentalen
Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können. Sie ist das Bewußtsein des Verhältnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhältnis untereinander richtig bestimmt werden kann. Die erste Frage vor aller weiteren Behandlung unserer Vorstellung lst die: In welchem Erkenntnisvermögen gehören sie zusammen? Ist es der Verstand oder sind es die Sinne, vor denen sie verknüpft oder verglichen werden? Manches Urteil wird aus Gewohnheit angenommen oder durch Neigung geknüpft; weil aber
keine Überlegung vorhergeht oder wenigstens kritisch darauf folgt, so gilt es für ein solches, das im Verstände seinen Ursprung erhalten hat. Nicht alle Urteile bedürfen einer Untersuchung, d. i. einer Aufmerksamkeit auf die Gründe der Wahrheit; denn wenn sie unmittelbar gewiß sind, z. B. zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein, so läßt sich von ihnen kein noch näheres Merkmal der Wahrheit, als das sie selbst ausdrücken, anzeigen. Aber alle Urteile, ja alle Vergleichungen bedürfen einer Überlegung, d. i. einer Unterscheidung der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Begriffe gehören. Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen überhaupt mit der Erkenntniskraft Zusammenhalte, darin sie angestellt wird und wodurch ich unterscheide, ob sie als gehörig zum reinen Verstand oder zur sinnlichen Anschauung untereinander verglichen werden, nenne ich die transzendentale Überlegung. Die Verhältnisse aber, in welchen die Begriffe in einem Gemütszustand zueinander gehören können, sind die der Einerleiheit und Verschiedenheit, der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Äußeren, endlich des Bestimmbaren und der Bestimmung (Materie und Form). Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruht darauf, in welcher Erkenntniskraft sie subjektiv zueinander gehören, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstand. Denn der Unterschied der letzteren macht einen großen Unterschied in der Art, wie man sich die ersten denken solle.
Vor allen objektiven Urteilen vergleichen wir die Begriffe, um auf die Einerleiheit (Vieler Vorstellungen unter einem Begriff) zum Behuf der allgemeinen Urteile oder der Verschiedenheit derselben, zu Erzeugung besonderer, auf die Einstimmung, daraus bejahende, und den Widerstreit, daraus verneinende Urteile werden können usw. Aus diesem Grund sollten wir, wie es scheint, die angeführten Begriffe Vergleichungsbegriffe nennen (conceptus comparationis). Weil aber, wenn es nicht auf die logische Form, sondern auf den Inhalt der Begriffe ankommt, d. i. ob die Dinge selbst einerlei oder verschieden, einstimmig oder im Widerstreit sind usw., die Dinge aber ein zwiefaches Verhältnis zu unserer Erkenntniskraft, nämlich zur Sinnlichkeit und zum Verstand haben können, auf diese Stelle aber, darin sie gehören, die Art ankommt, wie sie zueinander gehören sollen, so wird die transzendentale Reflexion, d. i. das Verhältnis gegebener Vorstellungen zu einer oder der anderen Erkenntnisart, ihr Verhältnis untereinander allein bestimmen können, und ob die Dinge einerlei oder
verschieden, einstimmig oder widerstreitend sind usw., wird nicht sofort aus den Begriffen selbst durch bloße Vergleichung (comparatio), sondern allererst durch die Unterscheidung der Erkenntnisart, wozu sie gehören, vermittels einer transzendentalen Überlegung (reflcjjcio) ausgemacht werden können. Man könnte also zwar sagen, daß die logische Reflexion eine bloße Komparation sei, denn bei ihr wird von der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Vorstellungen gehören, gänzlich abstrahiert, und sie sind also sofern ihrem Sitze nach im Gemüt als gleichartig zu behandeln, die transzendentale Reflexion aber (welche auf die Gegenstände selbst geht) enthält den Grund der Möglichkeit der objektiven Komparation der Vorstellungen untereinander und ist also von der letzteren gar sehr verschieden, weil die Erkenntniskraft, dazu sie gehören, nicht ebendieselbe ist. Diese transzendentale Überlegung ist eine Pflicht, von der sich niemand lossagen kann, wenn er a priori etwas über Dinge urteilen will. Wir wollen sie jetzt zur Hand nehmen und werden daraus für die Bestimmung des eigentlichen Geschäfts des Verstandes nicht wenig Licht ziehen.
I. Einerleiheit und Verschiedenheit. Wenn uns ein Gegenstand mehrmals, jedesmal aber mit ebendenselben innern Bestimmungen (qualitas et quantitas) dargestellt wird, so ist derselbe, wenn er als Gegenstand des reinen Verstandes gilt, immer ebenderselbe und nicht viele, sondern nur ein Ding (nufrnerica identitas); ist er aber Erscheinung, so kommt es auf die Vergleichung der Begriffe gar nicht an, sondern, sosehr auch in Ansehung derselben alles einerlei sein mag, ist doch die Verschiedenheit der Orte dieser Erscheinung zu gleicher Zeit ein genügsamer Grund der numerischen Verschiedenheit des Gegenstands (der Sinne) selbst. So kann man bei zwei Tropfen Wasser von aller innern Verschiedenheit (der Qualität und Quantität) völlig abstrahieren, und es ist genug, daß sie in verschiedenen Orten zugleich angeschaut werden, um sie für numerisch verschieden zu halten. Leibniz nahm die Erscheinungen als Dinge an sich selbst, mithin für intelligibilia, d. i. Gegenstände des reinen Verstandes (obgleich er wegen der Verworrenheit ihrer Vorstellungen dieselben mit dem Namen der Phänomene belegte), und da konnte sein Satz des Nichtzuunterscheidenden (principium identitatis indiscernibilium) allerdings mcht bestritten werden; da sie aber Gegenstände der Sinnlichkeit sind und der Verstand in Ansehung ihrer nicht von reinem, sondern bloß empirischem Gebrauch ist, so wird die Vielheit und numerische Verschiedenheit schon durch den Raum selbst als die Be-
dingung der äußeren Erscheinungen angegeben. Denn ein Teil des Raums, obzwar er einem andern völlig ähnlich und gleich sein mag, ist doch außer ihm und eben dadurch ein vom ersteren verschiedener Teil, der zu ihm hinzukommt, um einen größeren Raum auszumachen, und dies muß daher von allem, was in den mancherlei Stellen des Raums zugleich ist, gelten, sosehr es sich sonst auch ähnlich und gleich sein mag.
2. Einstimmung und Widerstreit. Wenn Realität nur durch den reinen Verstand vorgestellt wird (realitas noumenon), so läßt sich zwischen den Realitäten kein Widerstreit denken, d. i. ein solches Verhältnis, da sie in einem Subjekt verbunden einander ihre Folgen aufheben und 3 - 3 = 0 sei. Dagegen kann das Reale in der Erscheinung (realitas phaenomenon) untereinander allerdings im Widerstreit sur und vereint in demselben Subjekt, eins die Folge des andern ganz oder zum Teil vernichten, wie zwei bewegende Kräfte in derselben geraden Linie, sofern sie einen Punkt in entgegengesetzter Richtung entweder ziehen oder drücken oder auch ein Vergnügen, was dem Schmerz die Waage hält.
3. Das Innere und Äußere. An einem Gegenstand des reinen Verstandes ist nur dasjenige innerlich, welches gar keine Beziehung (dem Dasein nach) auf irgend etwas von ihm Verschiedenes hat. Dagegen sind die inneren Bestimmungen einer substantia phaenomenon im Raum nichts als Verhältnisse und sie selbst ganz und gar ein Inbegriff von lauter Relationen. Die Substanz im Raum kennen wir nur durch Kräfte, die in demselben wirksam sind, entweder andere dahin zu treiben (Anziehung) oder vom Eindringen in ihn abzuhalten (Zurückstoßung und Undurchdringlichkeit); andere Eigenschaften kennen wir nicht, die den Begriff von der Substanz, die im Raum erscheint und die wir Materie nennen, ausmachen. Als Objekt des reinen Verstandes muß jede Substanz dagegen innere Bestimmungen und Kräfte haben, die auf die innere Realität gehen. Allein was kann ich mir für innere Akzidenzen denken als diejenigen, so mein innerer Sinn mir darbietet, nämlich das, was entweder selbst ein Denken oder mit diesem analogisch ist? Daher machte Leibniz aus allen Substanzen, weil er sie sich als Noumena vorstellte, selbst aus den Bestandteilen der Materie, nachdem er ihnen alles, was äußere Relation bedeuten mag, mithin auch die Zusammensetzung, in Gedanken genommen hatte, einfache Subjekte mit Vorstellungskräften begabt, mit einem Worte, Monaden.
4. Materie und Form. Dies sind zwei Begriffe, welche aller an-
dern Reflexion zugrunde gelegt werden, so sehr sind sie mit jedem Gebrauch des Verstandes unzertrennlich verbunden. Der erstere bedeutet das Bestimmbare überhaupt, der zweite dessen Bestimmung (beides in transzendentalem Verstand, da man von allem Unterschiede dessen, was gegeben wird, und der Art, wie es bestimmt wird, abstrahiert). Die Logiker nannten ehedem das Allgemeine die Materie, den spezifischen Unterschied aber die Form. In jedem Urteil kann man die gegebenen Begriffe logische Materie (zum Urteil), das Verhältnis derselben (vermittels der Kopula) die Form des Urteils nennen. In jedem Wesen sind die Bestandstücke desselben (essentialia) die Materie, die Art, wie sie in einem Ding verknüpft sind, die wesentliche Form. Auch wurde in Ansehung der Dinge überhaupt unbegrenzte Realität als die Materie aller Möglichkeit, Einschränkung derselben aber (Negation) als diejenige Form angesehen, wodurch sich ein Ding vom andern nach transzendentalen Begriff en unterscheidet. Der Verstand nämlich verlangt zuerst, daß etwas gegeben sei (wenigstens im Begriff), um es auf gewisse Art bestimmen zu können. Daher geht im Begriff des reinen Verstandes die Materie der Form vor, und Leibniz nahm um deswillen zuerst Dinge an (Monaden) und innerlich eine Vorstellungskraft derselben, um darnach das äußere Verhältnis derselben und die Gemeinschaft ihrer Zustände (nämlich der Vorstellungen) darauf zü gründen. Daher waren Raum und Zeit, jener nur durch das Verhältnis der Substanzen, diese durch die Verknüpfung der Bestimmungen derselben untereinander als Gründe und Folgen möglich. So würde es auch in der Tat sein müssen, wenn der reine Verstand unmittelbar auf Gegenstände bezogen werden könnte und wenn Raum und Zeit Bestimmungen der Dinge an sich selbst wären. Sind es aber nur sinnliche Anschauungen, in denen wir alle Gegenstände lediglich als Erscheinungen bestimmen, so geht die Form der Anschauung (als eine subjektive Beschaffenheit der Sinnlichkeit) vor aller Materie (den Empfindungen), mithin Raum und Zeit vor allen Erscheinungen und allen datis der Erfahrung vorher und macht diese vielmehr allererst möglich. Der Intellektualphilosoph konnte es nicht leiden, daß die Form vor den Dingen selbst vorhergehen und dieser ihre Möglichkeit bestimmen sollte; eine ganz richtige Zensur, wenn er annahm, daß wir die Dinge anschauen, wie sie sind (obgleich mit verworrener Vorstellung). Da aber die sinnliche Anschauung eine ganz besondere subjektive Bedingung ist, welche aller Wahrnehmung a priori zugrunde liegt und deren
Form ursprünglich ist, so ist die Form für sich allein gegeben und weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge selbst, welche erschienen) zugrunde liegen sollten (wie man nach bloßen Begriffen urteilen müßte), so setzt die Möglichkeit derselben vielmehr eine formale Anschauung (Zeit und Raum) als gegeben voraus.
Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe
Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem Begriff entweder in der Sinnlichkeit oder im reinen Verstand erteilen, den transzendentalen Ort zu nennen. Auf solche Weise wäre die Beurteilung dieser Stelle, die jedem Begriff nach Verschiedenheit seines Gebrauchs zukommt und die Anweisung nach Regeln, diesen Ort allen Begriffen zu bestimmen, die transzendentale Topik, eine Lehre, die vor Erschleichungen des reinen Verstandes und daraus entspringenden Blendwerken gründlich bewahren würde, indem sie jederzeit unterschiede, welcher Erkenntniskraft die Begriffe eigentlich angehören. Man kann einen jeden Begriff, einen jeden Titel, darunter viele Erkenntnisse gehören, einen logischen Ort nennen. Hierauf gründet sich die logische Topik des Aristoteles, deren sich Schullehrer und Redner bedienen konnten, um unter gewissen Titeln des Denkens nachzusehen, was sich am besten für ihre vorliegende Materie schickte, und darüber mit einem Schein von Gründlichkeit zu vernünfteln oder wortreich zu schwatzen.
Die transzendentale Topik enthält dagegen nicht mehr als die angeführten vier Titel aller Vergleichung und Unterscheidung, die sich dadurch von Kategorien unterscheiden, daß durch jene nicht der Gegenstand nach demjenigen, was seinen Begriff ausmacht (Größe, Realität), sondern nur die Vergleichung der Vorstellungen, welche vor dem Begriff von Dingen vorhergeht, in aller ihrer Mannigfaltigkeit dargestellt wird. Diese Vergleichung aber bedarf zuvörderst einer Überlegung, d. i. einer Bestimmung desjenigen Orts, wo die Vorstellungen der Dinge, die verglichen werden, hingehören, ob sie der reine Verstand denkt oder die Sinnlichkeit in der Erscheinung gibt.
Die Begriffe können logisch verglichen werden, ohne sich darum zu bekümmern, wohin ihre Objekte gehören, ob als Noumena für den Verstand oder als Phänomena für die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit diesen Begriffen zu den Gegenständen gehen wollen, so ist zuvörderst transzendentale Überlegung nötig, für welche Erkenntniskraft sie Gegenstände sein sollen, ob für den reinen Ver-
stand oder die Sinnlichkeit. Ohne diese Überlegung mache ich einen sehr unsicheren Gebrauch von diesen Begriffen, und es entspringen vermeinte synthetische Grundsätze, welche die kritische Vernunft nicht anerkennen kann und die sich lediglich auf einer transzendentalen Amphibolie, d. i. einer Verwechslung des reinen Verstandesobjekts mit der Erscheinung gründen.
In Ermangelung einer solchen transzendentalen Topik, und mithin durch die Amphibolie der Reflexionsbegriffe hintergangen, errichtete der berühmte Leibniz ein intellektuelles System der Welt oder glaubte vielmehr der Dinge innere Beschaffenheit zu erkennen, indem er alle Gegenstände nur mit dem Verstand und den abgesonderten formalen Begriffen seines Denkens verglich. Unsere Übersicht über die Reflexionsbegriffe schafft uns den unerwarteten Vorteil, das Unterscheidende seines Lehrbegriffs in allen seinen Teilen und zugleich den leitenden Grund dieser eigentümlichen Denkungsart vor Augen zu legen, der auf nichts als einem Mißverstand beruhte. Er verglich alle Dinge bloß durch Begriffe miteinander und fand, wie natürlich, keine anderen Verschiedenheiten als die, durch welche der Verstand seine reinen Begriffe voneinander unterscheidet. Die Bedingungen der sinnlichen Anschauung, die ihre eigenen Unterschiede bei sich führen, sah er nicht für ursprünglich an; denn die Sinnlichkeit war ihm nur eine verworrene Vorstellungsart und kein besonderer Quell der Vorstellungen; Erscheinung war ihm die Vorstellung des Dinges an sich selbst, obgleich von der Erkenntnis durch den Verstand der logischen Form nach unterschieden, da nämlich jene bei ihrem gewöhnlichen Mangel der Zergliederung eine gewisse Vermischung von Nebenvorstellungen in den Begriff des Dinges zieht, die der Verstand davon abzusondern weiß. Mit einem Wort, Leibniz intellektuierte die Erscheinungen, so wie Locke die Verstandesbegriffe nach seinem System der Noogonie (wenn es mir erlaubt ist, mich dieser Ausdrücke zu bedienen) insgesamt sensifiziert, d. i. für nichts als empirische, aber abgesonderte Reflexionsbegriffe ausgegeben hatte. Anstatt im Verstand und in der Sinnlichkeit zwei ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen zu suchen, die aber nur in Verknüpfung objektiv gültig von Dingen urteilen könnten, hielt sich ein jeder dieser großen Männer nur an eine von beiden, die sich ihrer Meinung nach unmittelbar auf Dinge an sich selbst bezöge, indessen daß die andere nichts, tat, als die Vorstellungen der ersteren zu verwirren oder zu ordnen.
Leibniz verglich demnach die Gegenstände der Sinne als Dinge
überhaupt bloß im Verstand untereinander, erstlich, sofern sie von diesem als einerlei oder verschieden geurteilt werden sollen. Da er also lediglich ihre Begriffe und nicht ihre Stelle in der Anschauung, darin die Gegenstände allein gegeben werden können, vor Augen hatte und den transzendentalen Ort dieser Begriffe (ob das Objekt unter Erscheinungen oder unter Dinge an sich selbst zu zählen sei) gänzlich außer acht ließ, so konnte es nicht anders ausfallen, als daß er seinen Grundsatz des Nichtzuunterscheidenden, der bloß von Begriffen der Dinge überhaupt gilt, auch auf die Gegenstände der Sinne (mundus phaenomenon) ausdehnte und der Naturerkenntnis dadurch keine geringe Erweiterung verschafft zu haben glaubte. Freilich, wenn ich einen Tropfen Wasser als ein Ding an sich selbst nach allen seinen inneren Bestimmungen kenne, so kann ich keinen derselben von dem andern für verschieden gelten lassen, wenn der ganze Begriff desselben mit ihm einerlei ist. Ist er aber Erscheinung im Raum, so hat er seinen Ort, nicht bloß im Verstand (unter Begriffen), sondern in der sinnlichen äußeren Anschauung (im Raum), und da sind die physischen Orte in Ansehung der inneren Bestimmungen der Dinge ganz gleichgültig, und ein Ort = b kann ein Ding, welches einem andern in dem Ort = a völlig ähnlich und gleich ist, ebensowohl aufnehmen als wenn es von diesem noch so sehr innerlich verschieden wäre. Die Verschiedenheit der Orte macht die Vielheit und Unterscheidung der Gegenstände als Erscheinungen ohne weitere Bedingungen schon für sich nicht allein möglich, sondern auch notwendig. Also ist jenes scheinbare Gesetz kein Gesetz der Natur. Es ist lediglich eine analytische Regel oder Vergleichung der Dinge durch bloße Begriffe.
Zweitens der Grundsatz, daß Realitäten (als bloße Bejahungen) einander niemals logisch widerstreiten, ist ein ganz wahrer Satz, von dem Verhältnis der Begriffe, bedeutet aber, weder in Ansehung der Natur noch überall in Ansehung irgendeines Dinges an sich selbst (von diesem haben wir gar keinen Begriff) das mindeste. Denn der reale Widerstreit findet allerwärts statt, wo A - B = o ist, d. i. wo eine Realität mit der andern, in einem Subjekt verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt, welches alle Hindernisse und Gegenwirkungen in der Natur unaufhörlich vor Augen legen, die gleichwohl, da sie auf Kräften beruhen, realitates phaenomena genannt werden müssen. Die allgemeine Mechanik kann sogar die empirische Bedingung dieses Widerstreits in einer Regel a priori angeben, indem sie auf die Entgegen-
setzung der Richtungen sieht - eine Bedingung, von welcher der transzendentale Begriff der Realität gar nichts weiß. Obzwar Herr von Leibniz diesen Satz nicht eben mit dem Pomp eines neuen Grundsatzes ankündigte, so bediente er sich doch desselben zu neuen Behauptungen, und seine Nachfolger trugen ihn ausdrücklich in ihre Leibniz-wolfianischen Lehrgebäude ein. Nach diesem Grundsatz sind z. B. alle Übel nichts als Folgen von den Schranken der Geschöpfe, d. i. Negationen, weil diese das einzig Widerstreitende der Realität sind (in dem bloßen Begriff eines Dinges überhaupt ist es auch wirklich so, aber nicht in den Dingen als Erscheinungen). Imgleichen finden die Anhänger desselben es nicht allein möglich, sondern auch natürlich, alle Realität, ohne irgendeinen besorglichen Widerstreit in einem Wesen zu vereinigen, weil sie keinen andern als den des Widerspruchs (durch den der Begriff eines Dinges selbst aufgehoben wird), nicht aber den des wechselseitigen Abbruchs kennen, da ein Realgrund die Wirkung des andern aufhebt und dazu wir nur in der Sinnlichkeit die Bedingungen antreffen, uns einen solchen vorzustellen.
Drittens: Die leibnizsche Monadologie hat gar keinen andern Grund, als daß dieser Philosoph den Unterschied des Inneren und Äußeren bloß im Verhältnis auf den Verstand vorstellte. Die Substanzen überhaupt müssen etwas Inneres haben, was also von allen äußeren Verhältnissen, folglich auch der Zusammensetzung frei ist. Das Einfache ist also die Grundlage des Inneren der Dinge an sich selbst. Das Innere aber ihres Zustands kann auch nicht in Ort, Gestalt, Berührung oder Bewegung (welche Bestimmungen alle äußere Verhältnisse sind) bestehen, und wir können daher den Substanzen keinen anderen inneren Zustand als denjenigen, wodurch wir unseren Sinn selbst innerlich bestimmen, nämlich den Zustand der Vorstellungen, beilegen. So wurden denn die Monaden fertig, welche den Grundstoff des ganzen Universums ausmachen sollen, deren tätige Kraft aber nur in Vorstellungen besteht, wodurch sie eigentlich bloß in sich selbst wirksam sind.
Ebendarum mußte aber auch sein Principium der möglichen Gemeinschaft der Substanzen untereinander eine vorherbestimmte Harmonie und konnte kein physischer Einfluß sein. Denn weil alles nur innerlich, d. i. mit seinen Vorstellungen beschäftigt ist, so konnte der Zustand der Vorstellungen der einen mit dem der anderen Substanz in ganz und gar keiner wirksamen Verbindung stehen, sondern es mußte irgendeine dritte und in alle insgesamt
einfließende Ursache ihre Zustände einander korrespondierend machen, zwar nicht eben durch gelegentlichen und in jedem einzelnen Fall besonders angebrachten Beistand (systema assistentiae), sondern durch die Einheit der Idee einer für alle gültigen Ursache, in welcher sie insgesamt ihr Dasein und ihre Beharrlichkeit, mithin auch wechselseitige Korrespondenz untereinander nach allgemeinen Gesetzen bekommen müssen.
Viertens: Der berühmte Lehrbegriff desselben von Zeit und Raum, darin er diese Formen der Sinnlichkeit intellektuierte, war lediglich aus ebenderselben Täuschung der transzendentalen Reflexion entsprungen. Wenn ich mir durch den bloßen Verstand äußere Verhältnisse der Dinge vorstellen will, so kann dies nur vermittels eines Begriffs ihrer wechselseitigen Wirkung geschehen, und soll ich einen Zustand ebendesselben Dinges mit einem andern Zustand verknüpfen, so kann dieses nur in der Ordnung der Gründe und Folgen geschehen. So dachte sich also Leibniz den Raum als eine gewisse Ordnung in der Gemeinschaft der Substanzen und die Zeit als die dynamische Folge ihrer Zustände. Das Eigentümliche aber und von Dingen Unabhängige, was beide an sich zu haben scheinen, schrieb er der Verworrenheit dieser Begriffe zu, welche machte, das dasjenige, was eine bloße Form dynamischer Verhältnisse ist, für eine eigene für sich bestehende und vor den Dingen selbst vorhergehende Anschauung gehalten wird. Also waren Raum und Zeit die intelligible Form der Verknüpfung der Dinge (Substanzen und ihrer Zustände) an sich selbst. Die Dinge aber waren intelligible Substanzen (substantiae Noumena). Gleichwohl wollte er diese Begriffe für Erscheinungen geltend machen, weil er der Sinnlichkeit keine eigene Art der Anschauung zugestand, sondern alle, selbst die empirische Vorstellung der Gegenstände im Verstand suchte und den Sinnen nichts als das verächtliche Geschäft ließ, die Vorstellungen des ersteren zu verwirren und zu verunstalten.
Wenn wir aber auch von Dingen an sich selbst etwas durch den reinen Verstand synthetisch sagen könnten (welches gleichwohl unmöglich ist), so würde dies doch gar nicht auf Erscheinungen, welche nicht Dinge an sich selbst vorstellen, gezogen werden können. Ich werde also in diesem letzteren Fall in der transzendentalen Überlegung meine Begriffe jederzeit nur unter den Bedingungen der Sinnlichkeit vergleichen müssen, und so werden Raum und Zeit nicht Bestimmungen der Dinge an sich, sondern der Erscheinungen sein: was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht
und brauche es nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung Vorkommen kann.
So verfahre ich auch mit den übrigen Reflexionsbegriffen. Die Materie ist substantia phaenomenon. Was ihr innerlich zukomme, suche ich in allen Teilen des Raums, den sie einnimmt, und in allen Wirkungen, die sie ausübt und die freilich nur immer Erscheinungen äußerer Sinne sein können. Ich habe also zwar nichts schlechthin, sondern lauter komparativ Innerliches, das selber wiederum aus äußeren Verhältnissen besteht. Allein das schlechthin, dem reinen Verstand nach, Innerliche der Materie ist auch eine bloße Grille; denn diese ist überall kein Gegenstand für den reinen Verstand; das transzendentale Objekt aber, welches der Grund dieser Erscheinung sein mag, die wir Materie nennen, ist ein bloßes Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen würden, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen könnte. Denn wir können nichts verstehen, als was ein unseren Worten Korrespondierendes in der Ansehung mit sich führt. Wenn die Klagen, wir sehen das Innere der Dinge gar nicht ein, soviel bedeuten sollen, als wir begreifen nicht durch den reinen Verstand, was die Dinge, die uns erscheinen, an sich sein mögen, so sind sie ganz unbillig und unvernünftig; denn sie wollen, daß man ohne Sinnen doch Dinge erkennen, mithin anschauen könne, folglich, daß wir ein von dem menschlichen nicht bloß dem Grad, sondern sogar der Anschauung und Art nach gänzlich unterschiedenes Erkenntnisvermögen haben, also nicht Menschen, sondern Wesen sein sollen, von denen wir selbst nicht angeben können, ob sie einmal möglich, viel weniger wie sie beschaffen sind. Ins Innere der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erscheinungen, und man kann nicht wissen, wieweit dieses mit der Zeit gehen werde. Jene transzendentalen Fragen aber, die über die Natur hinausgehen, würden wir bei alledem noch niemals beantworten können, wenn uns auch die ganze Natur aufgedeckt wäre, da es uns nicht einmal gegeben ist, unser eigenes Gemüt mit einer anderen Anschauung als die unseres inneren Sinnes zu beobachten. Denn in demselben liegt das Geheimnis des Ursprungs unserer Sinnlichkeit. Ihre Beziehung auf ein Objekt und was der transzendentale Grund dieser Einheit sei, liegt ohne Zweifel zu tief verborgen, als daß wir, die wir sogar uns selbst nur durch inneren Sinn, mithin als Erscheinung kennen, ein so unschickliches Werkzeug unserer Nachforschung dazu brauchen könnten, etwas anderes als immer wie-
derum Erscheinungen aufzufinden, deren nichtsinnliche Ursache wir doch gern erforschen wollten.
Was diese Kritik der Schlüsse aus den bloßen Handlungen der Reflexion überaus nützlich macht, ist, daß sie die Nichtigkeit aller Schlüsse über Gegenstände, die man lediglich im Verstand miteinander vergleicht, deutlich dartut und dasjenige zugleich bestätigt, was wir hauptsächlich eingeschärft haben: daß, obgleich Erscheinungen nicht als Dinge an sich selbst unter den Objekten des reinen Verstandes mit begriffen seien, sie doch die einzigen sind, an denen unsere Erkenntnis objektive Realität haben kann, nämlich, wo den Begriffen Anschauung entspricht.
Wenn wir bloß logisch reflektieren, so vergleichen wir lediglich unsere Begriffe untereinander im Verstand, ob beide ebendasselbe enthalten, ob sie sich widersprechen oder nicht, ob etwas in dem Begriff innerlich enthalten sei oder zu ihm hinzukomme und welcher von beiden gegeben, welcher aber nur als eine Art, den gegebenen zu denken, gelten soll. Wende ich aber diese Begriffe auf einen Gegenstand überhaupt (im transzendentalen Verstand) an, ohne diesen weiter zu bestimmen, ob er ein Gegenstand der sinnlichen oder intellektuellen Anschauung sei, so zeigen sich sofort Einschränkungen (nicht aus diesem Begriff hinauszugehen), welche allen empirischen Gebrauch derselben verkehren und eben dadurch beweisen, daß die Vorstellung eines Gegenstands als Ding überhaupt nicht etwa bloß unzureichend, sondern ohne sinnliche Bestimmung derselben, und, unabhängig von empirischer Bedingung, in sich selbst widerstreitend sei, daß man also entweder von allem Gegenstand abstrahieren (in der Logik), oder, wenn man einen annimmt, ihn unter Bedingungen der sinnlichen Anschauung denken müsse, mithin das Intelligible eine ganz besondere Anschauung, die wir nicht haben, erfordern würde, und in Ermangelung derselben für uns nichts sei, dagegen aber auch die Erscheinungen nicht Gegenstände an sich selbst sein können. Denn, wenn ich mir bloß Dinge überhaupt denke, so kann freilich die Verschiedenheit der äußeren Verhältnisse nicht eine Verschiedenheit der Sachen selbst ausmachen, sondern setzt diese vielmehr voraus, und, wenn der Begriff von dem einen innerlich von dem des andern gar nicht unterschieden ist, so setze ich nur ein und dasselbe Ding in verschiedene Verhältnisse. Ferner durch Hinzukunft einer bloßen Bejahung (Realität) zur andern wird ja das Positive vermehrt und ihm nichts entzogen oder aufgehoben; daher kann das Reale in Dingen überhaupt einander nicht widerstreiten usw.
Die Begriffe der Reflexion haben, wie wir gezeigt haben, durch eine gewisse Mißdeutung einen solchen Einfluß auf den Verstandesgebrauch, daß sie sogar einen der scharfsinnigsten unter allen Philosophen zu einem vermeinten System intellektueller Erkenntnis, welches seine Gegenstände ohne Dazukunft der Sinne zu bestimmen unternimmt, zu verleiten imstande gewesen. Eben um deswillen ist die Entwicklung der täuschenden Ursache der Amphibolie dieser Begriffe in Veranlassung falscher Grundsätze von großem Nutzen, die Grenzen des Verstandes zuverlässig zu bestimmen und zu sichern.
Man muß zwar sagen, was einem Begriff allgemein zukommt oder widerspricht, das kommt auch zu oder widerspricht allem Besonderen, was unter jenem Begriff enthalten ist (dictum de omni et nullo); es wäre aber ungereimt, diesen logischen Grundsatz dahin zu verändern, daß er so lautete: Was in einem allgemeinen Begriff nicht enthalten ist, das ist auch in den besonderen nicht enthalten, die unter demselben stehen; denn diese sind ebendarum besondere Begriffe, weil sie mehr in sich enthalten, als im allgemeinen gedacht wird. Nun ist doch wirklich auf diesen letzteren Grundsatz das ganze intellektuelle System Leibniz5 erbaut; es fällt also zugleich mit demselben samt aller aus ihm entspringenden Zweideutigkeit im Verstandesgebrauch.
Der Satz des Nichtzuunterscheidenden gründete sich eigentlich auf der Voraussetzung, daß, wenn in dem Begriff von einem Ding überhaupt eine gewisse Unterscheidung nicht angetroffen wird, so sei sie auch nicht in den Dingen selbst anzutreffen; folglich seien alle Dinge völlig einerlei (numero eadem), die sich nicht schon in ihrem Begriff (der Qualität oder Quantität nach) voneinander unterscheiden. Weil aber bei dem bloßen Begriff von irgendeinem Ding von manchen notwendigen Bedingungen einer Anschauung abstrahiert worden, so wird, durch eine sonderbare Übereilung, das, wovon abstrahiert wird, dafür genommen, daß es überall nicht anzutreffen sei, und dem Ding nichts eingeräumt, als was in seinem Begriff enthalten ist.
Der Begriff von einem Kubikfuß Raum, ich mag mir diesen denken, wo und wie oft ich wolle, ist an sich völlig einerlei. Allein zwei Kubikfuß sind im Raum dennoch bloß durch ihre Orte unterschieden (numero diversa), diese sind Bedingungen der Anschauung, worin das Objekt dieses Begriffs gegeben wird, die nicht zum Begriff, aber doch zur ganzen Sinnlichkeit gehören. Gleichergestalt ist in dem Begriff von einem Ding gar kein Widerstreit,
wenn nichts Verneinendes mit einem Bejahenden verbunden worden ist, und bloß bejahende Begriffe können in Verbindung gar keine Aufhebung bewirken. Allein in der sinnlichen Anschauung, darin Realität (z. B. Bewegung) gegeben wird, finden sich Bedingungen (entgegengesetzte Richtungen), von denen im Begriff der Bewegung überhaupt abstrahiert war, die einen Widerstreit, der freilich nicht logisch ist, nämlich aus lauter Positivem ein Zero = o möglich machen, und man konnte nicht sagen, daß darum alle Realität untereinander in Einstimmung sei, weil unter ihren Begriffen kein Widerstreit angetroffen wird14. Nach bloßen Begriffen ist das Innere das Substratum aller Verhältnisse oder äußeren Bestimmungen. Wenn ich also von allen Bedingungen der Anschauung abstrahiere und mich lediglich an den Begriff von einem Ding überhaupt halte, so kann ich von allem äußeren Verhältnis abstrahieren, und es muß dennoch ein Begriff von dem übrigbleiben, das gar kein Verhältnis, sondern bloß innere Bestimmungen bedeutet. Da scheint es nun, es folge daraus, in jedem Ding (Substanz) sei etwas, was schlechthin innerlich ist und allen äußeren Bestimmungen vorgeht, indem es sie allererst möglich macht, mithin sei dieses Substratum so etwas, das keine äußeren Verhältnisse mehr in sich enthält, folglich einfach (denn die körperlichen Dinge sind doch immer nur Verhältnisse, wenigstens der Teile außereinander), und weil wir keine schlechthin inneren Bestimmungen kennen als die durch unseren inneren Sinn, so sei dies Substratum nicht allein einfach, sondern auch (nach der Analogie mit unserem inneren Sinn) durch Vorstellungen bestimmt, d. i. alle Dinge wären eigentlich Monaden oder mit Vorstellungen begabte einfache Wesen. Dieses würde auch alles seine Richtigkeit haben, gehörte nicht etwas mehr als der Begriff von einem Ding überhaupt zu den Bedingungen, unter denen allein uns Gegenstände der äußeren Anschauung gegeben werden können und von denen der reine Begriff abstrahiert. Denn da zeigt sich, daß eine beharrliche Erscheinung im Raum (undurchdringliche Ausdehnung) lauter Verhältnisse und gar nichts schlechthin Innerliches enthalten und dennoch das erste Substratum aller äußeren Wahrnehmung sein könne. Durch bloße Begriffe kann ich freilich ohne etwas Inneres nichts Äußeres denken, ebendarum weil Verhältnisbegriffe doch schlechthin gegebene Dinge voraussetzen und ohne diese nicht möglich sind. Aber da in der Anschauung etwas enthalten ist, was im bloßen Begriff von einem Ding überhaupt gar nicht liegt und dies das Substratum, welches durch bloße Begriffe
gar nicht erkannt werden würde, an die Hand gibt, nämlich ein Raum, der mit allem, was er enthält, aus lauter formalen oder auch realen Verhältnissen besteht, so kann ich nicht sagen, weil ohne ein schlechthin Inneres kein Ding durch bloße Begriffe vorgestellt werden kann, so sei auch in den Dingen selbst, die unter diesen Begriffen enthalten sind und ihrer Anschauung nichts Äußeres, dem nicht etwas schlechthin Innerliches zugrunde läge. Denn, wenn wir von allen Bedingungen der Anschauung abstrahiert haben, so bleibt uns freilich im bloßen Begriff nichts übrig als das Innere überhaupt und das Verhältnis desselben untereinander, wodurch allein das Äußere möglich ist. Diese Notwendigkeit aber, die sich allein auf Abstraktion gründet, findet nicht bei den Dingen statt, sofern sie in der Anschauung mit solchen Bestimmungen gegeben werden, die bloße Verhältnisse ausdrücken, ohne etwas Inneres zugrunde zu haben, darum, weil sie nicht Dinge an sich selbst, sondern lediglich Erscheinungen sind. Was wir auch nur an der Materie kennen, sind lauter Verhältnisse (das, was wir innere Bestimmungen derselben nennen, ist nur komparativ innerlich), aber es sind darunter selbständige und beharrliche, dadurch uns ein bestimmter Gegenstand gegeben wird. Daß ich, wenn ich von diesen Verhältnissen abstrahiere, gar nichts weiter zu denken habe, hebt den Begriff von einem Ding als Erscheinung nicht auf, auch nicht den Begriff von einem Gegenstand in abstracto, wohl aber alle Möglichkeit eines solchen, der nach bloßen Begriffen bestimmbar ist, d. i. eines Noumenon. Freilich macht es stutzig, zu hören, daß ein Ding ganz und gar aus Verhältnissen bestehen solle, aber ein solches Ding ist auch bloße Erscheinung und kann gar nicht durch reine Kategorien gedacht werden; es besteht selbst in dem bloßen Verhältnis von etwas überhaupt zu den Sinnen. Ebenso kann man die Verhältnisse der Dinge in abstracto, wenn man es mit bloßen Begriffen anfängt, wohl nicht anders denken, als daß eins die Ursache von Bestimmungen in dem andern sei; denn das ist unser Verstandesbegriff von Verhältnissen selbst. Allein da wir alsdann von aller Anschauung abstrahieren, so fällt eine ganze Art, wie das Mannigfaltige einander seinen Ort bestimmen kann, nämlich die Form der Sinnlichkeit (der Raum) Weg> der doch vor aller empirischen Kausalität vorhergeht.
Wenn wir unter bloß intelligiblen Gegenständen diejenigen Dinge verstehen, die durch reine Kategorien ohne alles Schema der Sinnlichkeit gedacht werden, so sind dergleichen unmöglich. Denn die Bedingung des objektiven Gebrauchs aller unserer Ver-
standesbegriffe ist bloß die Art unserer sinnlichen Anschauung, wodurch uns Gegenstände gegeben werden, und wenn wir von der letzteren abstrahieren, so haben die ersteren gar keine Beziehung auf irgendein Objekt. Ja wenn man auch eine andere Art der Anschauung, als diese unsere sinnliche ist, annehmen wollte, so würden doch unsere Funktionen zu denken in Ansehung derselben von gar keiner Bedeutung sein. Verstehen wir darunter nur Gegenstände einer nichtsinnlichen Anschauung, von denen unsere Kategorien zwar freilich nicht gelten und von denen wir also gar keine Erkenntnis (weder Anschauung noch Begriff) jemals haben können, so müssen Noumena in dieser bloß negativen Bedeutung allerdings zugelassen werden, da sie denn nichts anderes sagen, als daß unsere Art der Anschauung nicht auf alle Dinge, sondern bloß auf Gegenstände unserer Sinne geht, folglich ihre objektive Gültigkeit begrenzt ist und mithin für irgendeine andere Art Anschauung, und also auch für Dinge als Objekte derselben, Platz übrigbleibt. Aber alsdann ist der Begriff eines Noumenon problematisch, d. i. die Vorstellung eines Dinges, von dem wir weder sagen können, daß es möglich noch daß es unmöglich sei, indem wir gar keine Art der Anschauung als unsere sinnliche kennen und keine Art der Begriffe als die Kategorien, keine von beiden aber einem außersinnlichen Gegenstand angemessen ist. Wir können daher das Feld der Gegenstände unseres Denkens über die Bedingungen unserer Sinnlichkeit darum noch nicht positiv erweitern und außer den Erscheinungen noch Gegenstände des reinen Denkens, d. i. Noumena annehmen, weil jene keine anzugebende positive Bedeutung haben. Denn man muß von den Kategorien eingestehen, daß sie allein noch nicht zur Erkenntnis der Dinge an sich selbst zureihen und ohne die data der Sinnlichkeit bloß subjektive Formen der Verstandeseinheit, aber ohne Gegenstand sein würden. Das Denken ist zwar an sich kein Produkt der Sinne und insofern durch sie auch nicht eingeschränkt, aber darum nicht sofort von eigenem und reinem Gebrauch ohne Beitritt der Sinnlichkeit, weil es alsdann ohne Objekt ist. Man kann auch das Noumenon nicht ein solches Objekt nennen; denn dies bedeutet eben den problematischen Begriff von einem Gegenstand für eine ganz andere Anschauung und einen ganz anderen Verstand als der unsrige, der mithin selbst ein Problem ist. Der Begriff des Noumenon ist also nicht der Begriff von einem Objekt, sondern die unvermeidlich mit der Einschränkung unserer Sinnlichkeit zusammenhängende Aufgabe, ob es nicht von jener
ihrer Anschauung ganz entbundene Gegenstände geben möge, welche Frage nur unbestimmt beantwortet werden kann, nämlich daß, weil die sinnliche Anschauung nicht auf alle Dinge ohne Unterschied geht, für mehr und andere Gegenstände Platz übrigbleibe, sie also nicht schlechthin abgeleugnet, in Ermangelung eines bestimmten Begriffs aber (da keine Kategorie dazu tauglich ist) auch nicht als Gegenstände für unseren Verstand behauptet werden können.
Der Verstand begrenzt demnach die Sinnlichkeit, ohne darum sein eigenes Feld zu erweitern, und, indem er jene warnt, daß sie sich nicht anmaße, auf Dinge an sich selbst zu gehen, sondern lediglich auf Erscheinungen, so denkt er sich einen Gegenstand an sich selbst, aber nur als transzendentales Objekt, das die Ursache der Erscheinung (mithin selbst nicht Erscheinung) ist und weder als Größe noch als Realität, noch als Substanz usw. gedacht werden kann (weil diese Begriffe immer sinnliche Formen erfordern, in denen sie einen Gegenstand bestimmen; wovon also völlig unbekannt ist, ob es in uns oder auch außer uns anzutreffen sei, ob es mit der Sinnlichkeit zugleich aufgehoben werden oder, wenn wir jene wegnehmen, noch übrigbleiben würde). Wollen wir dieses Objekt Noumenon nennen, darum, weil die Vorstellung von ihm nicht sinnlich ist, so steht uns dies frei. Da wir aber keine von unseren Verstandesbegriffen darauf anwenden können, so bleibt diese Vorstellung doch für uns leer und dient zu nichts, als die Grenzen unserer sinnlichen Erkenntnis zu bezeichnen und einen Raum übrigzulassen, den wir weder durch mögliche Erfahrung noch durch den reinen Verstand ausfüllen können.
Die Kritik dieses reinen Verstandes erlaubt es also nicht, sich ein neues Feld von Gegenständen, außer denen, die ihm als Erscheinungen Vorkommen können, zu schaffen und in intelligible Welten sogar nicht einmal in ihren Begriff auszuschweifen. Der Fehler, welcher hierzu auf die allerscheinbarste Art verleitet und allerdings entschuldigt, obgleich nicht gerechtfertigt werden kann, liegt darin, daß der Gebrauch des Verstandes wider seine Bestimmung transzendental gemacht und die Gegenstände, d. i. mögliche Anschauungen, sich nach Begriffen, nicht aber Begriffe sich nach möglichen Anschauungen (als auf denen allein ihre objektive Gültigkeit beruht) richten müssen. Die Ursache hiervon aber ist wiederum, daß die Apperzeption und mit ihr das Denken vor aller möglichen bestimmten Anordnung der Vorstellungen vorhergeht. Wir denken also etwas überhaupt und bestimmen es
einerseits sinnlich, allein unterscheiden doch den allgemeinen und in abstracto vorgestellten Gegenstand von dieser Art ihn anzuschauen; da bleibt uns nun eine Art, ihn bloß durch Denken zu bestimmen, übrig, welche zwar eine bloße logische Form ohne Inhalt ist, uns aber dennoch eine Art zu sein scheint, wie das Objekt an sich existiere (Noumenon), ohne auf die Anschauung zu sehen, welche auf unsere Sinne eingeschränkt ist.
Ehe wir die transzendentale Analytik verlassen, müssen wir noch etwas hinzufügen, was, obgleich an sich von nicht sonderlicher Erheblichkeit, dennoch zur Vollständigkeit des Systems erforderlich scheinen dürfte. Der höchste Begriff, von dem man eine Transzendentalphilosophie anzufangen pflegt, ist gemeiniglich die Einteilung in das Mögliche und Unmögliche. Da aber alle Einteilung einen eingeteilten Begriff voraussetzt, so muß noch ein höherer angegeben werden, und dieser ist der Begriff von einem Gegenstand überhaupt (problematisch genommen und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts sei). Weil die Kategorien die einzigen Begriffe sind, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, so wird die Unterscheidung eines Gegenstands, ob er Etwas oder Nichts sei, nach der Ordnung und Anweisung der Kategorien fortgehen.
1. Den Begriff von Allem, Vielen und Einem ist der, so alles aufhebt, d. i. Keines, entgegengesetzt, und so ist der Gegenstand eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung korrespondiert = Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenstand wie die Noumena, die nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden können, obgleich auch darum nicht für unmöglich ausgegeben werden müssen (ens rationis), oder wie etwa gewisse neue Grundkräfte, die man sich denkt, zwar ohne Widerspruch, aber auch ohne Beispiel aus der Erfahrung gedacht worden und also nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden müssen.
2. Realität ist Etwas, Negation ist Nichts, nämlich ein Begriff von dem Mangel eines Gegenstands, wie der Schatten, die Kälte (nihil privativum).
3. Die bloße Form der Anschauung, ohne Substanz, ist an sich kein Gegenstand, sondern die bloß formale Bedingung desselben (als Erscheinung), wie der reine Raum und die reine Zeit (ens imaginarium), die zwar Etwas sind, als Formen anzuschauen, aber selbst keine Gegenstände sind, die angeschaut werden.
4. Der Gegenstand eines Begriffs, der sich selbst widerspricht, ist Nichts, weil der Begriff Nichts ist, das Unmögliche, wie etwa die geradlinige Figur von zwei Seiten (nihil negativum).
Die Übersicht dieser Einteilung des Begriffs von Nichts (denn die dieser gleichlaufende Einteilung des Etwas folgt von selber) würde daher so angelegt werden müssen:
Nichts als
1. Leerer Begriff ohne Gegenstand ens rationis
2. Leerer Gegenstand eines Begriffs nihil privativum.
3. Leere Anschauung ohne Gegenstand ens imaginarium
4. Leerer Gegenstand ohne Begriff nihil negativum.
Man sieht, daß das Gedankending (n. 1) von dem Unding (n. 4) dadurch unterschieden werde, daß jenes nicht unter die Möglichkeiten gezählt werden darf, weil es bloß Erdichtung (obzwar nicht widersprechende) ist, dieses aber der Möglichkeit entgegengesetzt ist, indem der Begriff sogar sich selbst aufhebt. Beide sind aber leere Begriffe. Dagegen sind das nihil privativum (n. 2) und ens imaginarium (n. 3) leere Data zu Begriffen. Wenn das Licht nicht den Sinnen gegeben worden, so kann man sich auch keine Finsternis, und, wenn nicht ausgedehnte Wesen wahrgenommen worden, keinen Raum vorstellen. Die Negation sowohl als die bloße Form der Anschauung sind ohne ein Reales keine Objekte.
Datum der letzten Änderung : Jena, den: 08.10. 2016