Inzidenzstruktur

In der Mathematik, insbesondere der Geometrie, bezeichnet Inzidenzstruktur eine Struktur, die durch eine Menge von Punkten und eine dazu disjunkte Menge von Blöcken sowie eine zwischen diesen Mengen festgelegte Inzidenzrelation gegeben ist. Die Inzidenzrelation gibt aus der Menge aller möglichen Paare von Punkten und Blöcken nur jene an, die eine Inzidenz eines Punktes mit einem Block bezeichnen. Durch diese allgemein gehaltene Formulierung lassen sich zahlreiche Strukturen als Spezialfälle einer Inzidenzstruktur beschreiben.

Veranschaulichung von Inzidenzstrukturen:
Beispiele 1: Die Geraden sind verschiedene Blöcke – die Inzidenz lautet „Punkt liegt auf der Gerade“.
Beispiel 2: Wie Beispiel 1, mit Kreisen anstelle der Geraden.
Beispiel 3: Inzidenzmatrix: Zeilen und Spalten bezeichnen Punkte und Blöcke, der Zahlenwert beschreibt eine Inzidenz.
Ausführliche Beschreibung der Beispiele im Text nebenan.

Definition

Eine Inzidenzstruktur ist ein Tripel {\displaystyle {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I)} von Mengen mit

{\displaystyle {\mathfrak {p}}\cap {\mathfrak {B}}=\emptyset {\;}} und {\displaystyle {\;}I\subseteq {\mathfrak {p}}\times {\mathfrak {B}}.}[2]

Die Elemente von {\mathfrak {p}} heißen Punkte, die von {\mathfrak {B}} Blöcke. Die Elemente von I werden Inzidenzen oder Fahnen genannt. Für (p,B)\in I schreibt man {\displaystyle p{\mathrel {\ I\ }}B} und sagt, dass der Punkt p mit dem Block B inzidiert.

Beispiele

In Beispiel 1 und 2 sind die zugrunde liegenden Mengen der Punkte, Blöcke und Inzidenzen unendlich. Dabei ist im ersten Beispiel ein Block durch zwei Punkte eindeutig bestimmt, im zweiten durch drei (nicht kollineare) Punkte. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Eigenschaften der Inzidenzstrukturen.

In den Beispielen 1, 2 und 3 kann ein Block verstanden werden als die Menge der mit ihm inzidierenden Punkte. Die Inzidenzrelation I ist dann die Enthaltenseinsrelation \in . Im folgenden Beispiel ist dies nicht möglich, da ein Punkt der Inzidenzstruktur ein Unterraum ist. In diesem Fall kann man aber die Inzidenzrelation als Teilmengenrelation {\displaystyle \subseteq } auffassen.

Für wichtige Klassen von Inzidenzstrukturen gilt ein Dualitätsprinzip. Die endlichen Inzidenzstrukturen sind Studienobjekte in der endlichen Geometrie und damit auch in der Kombinatorik. Ihnen kann man eine endliche Menge von Parametern zuordnen, die z.B. angeben, mit wie vielen Blöcken zwei verschiedene Punkte im Durchschnitt inzidieren; eine endliche Inzidenzstruktur, bei der ein solcher Parameter nicht nur den Durchschnittswert, sondern in jedem Fall die tatsächliche Anzahl der Inzidenzen angibt, erfüllt eine Regularitätsbedingung. Nichtausgeartete Inzidenzstrukturen, die solche Regularitätsbedingungen erfüllen, können durch diese typisiert werden.

Grundlegende Begriffe und Definitionen für Inzidenzstrukturen

Isomorphismen von Inzidenzstrukturen

Seien {\displaystyle {\mathcal {I}}_{1}=({\mathfrak {p_{1}}},{\mathfrak {B_{1}}},I_{1})} und {\displaystyle {\mathcal {I}}_{2}=({\mathfrak {p_{2}}},{\mathfrak {B_{2}}},I_{2})} Inzidenzstrukturen. Eine bijektive Abbildung {\displaystyle f\colon \;{\mathfrak {p_{1}}}\cup {\mathfrak {B_{1}}}\rightarrow {\mathfrak {p_{2}}}\cup {\mathfrak {B_{2}}}} heißt Isomorphismus von {\mathcal {I}}_{1} auf {\mathcal {I}}_{2}, wenn gilt:

  1. f bildet Punkte auf Punkte und Blöcke auf Blöcke ab und
  2. für alle Punkte p und Blöcke B von {\mathcal {I}}_{1} gilt: {\displaystyle p{\mathrel {\ I_{1}\ }}B\Leftrightarrow f(p){\mathrel {\ I_{2}\ }}f(B).}

Einfache Inzidenzstruktur

Die Inzidenzstruktur {\displaystyle {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I)} heißt einfach, wenn für beliebige Blöcke B,C\in {\mathfrak {B}} gilt:

{\displaystyle \left(\forall p\in {\mathfrak {p}}\colon \;p{\mathrel {\ I\ }}B\Leftrightarrow p{\mathrel {\ I\ }}C\right)\Rightarrow B=C,}

wenn also alle Blöcke durch die mit ihnen inzidierenden Punkte vollständig bestimmt sind. Gleichwertig dazu ist: {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I) ist einfach genau dann, wenn {\mathcal {I}} isomorph zu einer Inzidenzstruktur {\displaystyle {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}}',{\mathfrak {B}}',\in )} ist, wobei {\mathfrak {B}}' eine Teilmenge der Potenzmenge {\mathcal {P}}({\mathfrak {p}}') von {\mathfrak {p}}' ist.

Dualität

{\displaystyle {\mathfrak {p}}^{D}={\mathfrak {B}},\quad {\mathfrak {B}}^{D}={\mathfrak {p}},\quad I^{D}=I^{-1}=\left\{(B,p)\mid (p,B)\in I\right\}.}
Die duale Inzidenzstruktur {\mathcal {I}}^{D} entsteht also aus {\mathcal {I}}, indem man die Blöcke die Rolle der Punkte spielen lässt und umgekehrt. Natürlich gilt {\displaystyle \left({\mathcal {I}}^{D}\right)^{D}={\mathcal {I}}.}

Notation und grundlegende Begriffe

{\displaystyle ({\mathfrak {m}})=\{B\in {\mathfrak {B}}\mid \forall p\in {\mathfrak {m}}\colon \;p{\mathrel {\ I\ }}B\},\quad ({\mathfrak {M}})=\{p\in {\mathfrak {p}}\mid \forall B\in {\mathfrak {M}}\colon \;p{\mathrel {\ I\ }}B\}.}

Parameter einer endlichen Inzidenzstruktur, Punkt- und Blockgrad

Einer endlichen Inzidenzstruktur werden für {\displaystyle i\in \{0,1,\ldots ,|{\mathfrak {p}}|\}} und {\displaystyle j\in \{0,1,\ldots ,|{\mathfrak {B}}|\}} die folgenden Parameter zugeordnet:

{\displaystyle b_{i}:={\binom {|{\mathfrak {p}}|}{i}}^{-1}\cdot \sum _{{\mathfrak {m}}\subseteq {\mathfrak {p}} \atop |{\mathfrak {m}}|=i}[{\mathfrak {m}}],\quad v_{j}:={\binom {|{\mathfrak {B}}|}{j}}^{-1}\cdot \sum _{{\mathfrak {M}}\subseteq {\mathfrak {B}} \atop |{\mathfrak {M}}|=j}[{\mathfrak {m}}].}

Der Parameter b_{i} gibt also an, wie viele Blöcke im Durchschnitt mit i verschiedenen Punkten inzidieren und der Parameter {\displaystyle v_{j},} wie viele Punkte im Durchschnitt auf j verschiedenen Blöcken zugleich liegen. Der Parameter v = v_0 ist die Gesamtzahl der Punkte und {\displaystyle b=b_{0}} die Gesamtzahl der Blöcke der endlichen Inzidenzstruktur.

Darüber hinaus wird, vor allem im Zusammenhang mit linearen Räumen, der Begriff Grad definiert:

Damit ist v_{1} der Durchschnitt aller Grade von Punkten und b_{1} der Durchschnitt aller Grade von Blöcken.

Regularitätsbedingungen und Typen von endlichen Inzidenzstrukturen

Für eine endliche Inzidenzstruktur werden die folgenden Regularitätsbedingungen definiert, anhand derer diese Strukturen klassifiziert werden können:

{\displaystyle (\mathrm {P} _{i})} Je i verschiedene Punkte inzidieren mit genau b_{i}>0 Blöcken. Mit anderen Worten: Für alle i-elementigen Teilmengen {\mathfrak {m}}\subseteq {\mathfrak {p}} gilt {\displaystyle [{\mathfrak {m}}]=b_{i}>0.}
{\displaystyle (\mathrm {B} _{j})} Je j verschiedene Blöcke inzidieren mit genau v_{j}>0 Punkten. Mit anderen Worten: Für alle j-elementigen Teilmengen {\mathfrak {M}}\subseteq {\mathfrak {B}} gilt {\displaystyle [{\mathfrak {M}}]=v_{j}>0.}

Inzidenzmatrix

→ Der hier beschriebene Begriff Inzidenzmatrix für eine endliche Inzidenzstruktur kann als Verallgemeinerung des Begriffes Inzidenzmatrix eines ungerichteten Graphen angesehen werden.

Eine endliche Inzidenzstruktur mit v\geq 1 Punkten und b\geq 1 Blöcken kann auch durch eine v\times b-Matrix repräsentiert werden. Dazu nummeriert man die Punkte von 1 bis v und die Blöcke von 1 bis b durch und trägt in die Matrix die Beziehungen der Punkte zu den Blöcken ein:

{\displaystyle a_{ij}:={\begin{cases}1,&{\text{ falls }}(p_{i},B_{j})\in I,\\0,&{\text{ sonst}}.\end{cases}}}

Die Matrix {\displaystyle A=(a_{ij})_{1\leq i\leq v;\;1\leq j\leq b}} heißt dann eine Inzidenzmatrix der endlichen Inzidenzstruktur.

Natürlich liefern verschiedene Nummerierungen der Punkt- und Blockmenge im Allgemeinen verschiedene Inzidenzmatrizen. Offenbar ist jede Matrix, deren Elemente nur {\displaystyle 0} und 1 sind, Inzidenzmatrix einer geeigneten endlichen Inzidenzstruktur und diese ist durch die Inzidenzmatrix vollständig bestimmt.

Es werden, vor allem im Zusammenhang mit Hadamard-Matrizen auch (1,-1)-Inzidenzmatrizen verwendet, bei denen die Einträge {\displaystyle 0} in der oben beschriebenen Matrix durch -1 ersetzt werden.

Ableitung einer Inzidenzstruktur

Für eine endliche oder unendliche Inzidenzstruktur {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I) bezeichnet man für einen Punkt x\in {\mathfrak {p}} die nachfolgende definierte Struktur als Ableitung von {\mathcal {I}} nach x oder auch am Punkt x abgeleitete Inzidenzstruktur[2]

{\displaystyle {\mathcal {I}}_{x}=({\mathfrak {p}}\setminus \{x\},(x),I_{\mathrm {ind} }).}

Die Ableitung nach x besteht also aus allen Punkten außer x als Punktmenge {\displaystyle {\mathfrak {p}}_{x}={\mathfrak {p}}\setminus \{x\},} den Blöcken durch x als Blockmenge {\displaystyle {\mathfrak {B}}_{x}=(x)=\{B\in {\mathfrak {B}}\mid x{\mathrel {\ I\ }}B\}} mit der induzierten Inzidenz, {\displaystyle I_{\mathrm {ind} }=I\cap ({\mathfrak {p}}_{x}\times {\mathfrak {B}}_{x}).} In diesem Fall bezeichnet man {\mathcal {I}} als Erweiterung von {\displaystyle {\mathcal {I}}_{x}.} Eine Erweiterung ist im Allgemeinen (wie auch die „Aufleitung“ als Umkehrung der „Ableitung“ in anderen Teilgebieten der Mathematik) ohne zusätzliche Bedingungen durch die ursprüngliche Struktur nicht eindeutig bestimmt.

Der Begriff wird zum Beispiel benutzt, wenn aus der Nichtexistenz von Blockplänen mit bestimmten Parametern auf die gewisser größerer Blockpläne geschlossen wird.

Wie sich die Ableitung auf die Parameter spezieller Inzidenzstrukturen auswirken kann, ist beispielhaft im Artikel Wittscher Blockplan, dort insbesondere im Abschnitt Inzidenzparameter der Wittschen Blockpläne dargestellt.

Beispiel

Ist die Inzidenzstruktur {\displaystyle {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I)} eine Möbius-Ebene, so ist die Ableitung in jedem Punkt eine affine Ebene und damit eine einfachere Struktur (s. Möbius-Ebene).

Eigenschaften

Dualitätsprinzip

Beispiele

Das Dualitätsprinzip gilt für die Klasse

Die beiden zuletzt genannten Klassen enthalten ausschließlich zu sich selbst duale Strukturen. Daher gilt hier das Dualitätsprinzip in seiner verschärften Form: Zu jeder Aussage, die in einer dieser Strukturen gilt, trifft die duale Aussage in derselben Struktur zu.

Gegenbeispiele

Das Dualitätsprinzip gilt nicht für die Klasse

Beziehungen zwischen den Parametern

Im Folgenden ist {\displaystyle {\mathcal {I}}=({\mathfrak {p}},{\mathfrak {B}},I)} eine endliche Inzidenzstruktur. Dann gilt nach dem Prinzip der doppelten Abzählung:[3]

Die folgenden beiden, zueinander dualen Gleichungen erlauben es, sämtliche Parameter einer endlichen Inzidenzstruktur zu berechnen, wenn die Anzahl der Blöcke [p] für jeden Punkt und die Anzahl der Punkte [B] für jeden Block bekannt sind:

Die folgenden beiden, ebenfalls zueinander dualen Ungleichungen für beliebige endliche Inzidenzstrukturen wurden von Dembowski bewiesen:

Regularitätsbedingungen

Eigenschaften der Inzidenzstruktur anhand der Inzidenzmatrix

  • Insbesondere können zwei verschiedene Inzidenzmatrizen genau dann die gleiche Inzidenzstruktur beschreiben, wenn die eine durch solche Zeilen- und Spaltenpermutationen in die andere verwandelt werden kann.
  • Insbesondere ist eine endliche Inzidenzstruktur genau dann zu ihrer dualen Struktur isomorph, wenn ihre Inzidenz durch eine symmetrische Matrix beschrieben werden kann.

Beispiele

{\displaystyle {\Bigl (}{\begin{smallmatrix}0&1&1\\0&1&1\\0&0&1\end{smallmatrix}}{\Bigr )}.}
{\displaystyle {\Bigl (}{\begin{smallmatrix}0\\0\\1\end{smallmatrix}}{\Bigr )}.}
{\displaystyle {\biggl (}{\begin{smallmatrix}0&1&1&1\\1&1&0&0\\1&0&1&0\\1&0&0&1\end{smallmatrix}}{\biggr )}.}

Anmerkungen

  1. In der Geometrie wird die Inzidenzrelation oft symmetrisch eingeführt; nach der Definition hier ist sie antisymmetrisch. Die symmetrische Inzidenz I^{\ast } gewinnt man aus der antisymmetrischen I durch {\displaystyle I^{\ast }=I\cup I^{-1}} und umgekehrt: {\displaystyle I=I^{\ast }\cap ({\mathfrak {p}}\times {\mathfrak {B}})}.
  2. englisch: derived structure at a point x (Beth, Jungnickel, Lenz, Definition I.9.8)
  3. Diese Formel beruht darauf, dass auf beiden Seiten der Gleichung die Anzahl |I| aller Inzidenzen steht. Links sortiert nach den an der Inzidenz beteiligten Punkten und rechts nach den beteiligten Blöcken, Beutelspacher (1982), Lemma 1.2.3
  4. Beachte, dass hier – für eine ausgeartete Inzidenzstruktur – auch m>2 oder n>2 vorkommen kann, Beutelspacher (1982), Korollar 1.3.3
  5. Es muss aber im Allgemeinen nicht {\displaystyle v=b} sein! Die Bedingung I\neq {\mathfrak {p}}\times {\mathfrak {B}} ist verletzt. Beutelspacher (1982)
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 20.10. 2021