2. Wie sich der „Empiriosymbolist“ Juschkewitsch über den „Empiriokritiker" Tschernow lustig machte | Inhalt | 4. Wohin entwickelt sich der Empiriokritizismus?

3. Die Immanenzphilosophen als Mitstreiter von Mach und Avenarius

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Bei der Behandlung des Empiriokritizismus konnten wir nicht umhin, wiederholt auf die Philosophen der sogenannten Immanenzschule hinzuweisen, deren Hauptvertreter Schuppe, Leclair, Rehmke und Schubert-Soldern sind. Betrachten wir nunmehr das Verhältnis des Empiriokritizismus zu den Immanenzphilosophen und das Wesen der von diesen gepredigten Philosophie.

Im Jahre 1902 schrieb Mach: „... Heute sehe ich nun, daß eine ganze Anzahl Philosophen: Positivisten, Empiriokritiker, Vertreter der immanenten Philosophie, und auch sehr vereinzelte Naturforscher, ohne voneinander zu wissen, Wege eingeschlagen haben, welche bei aller individuellen Verschiedenheit fast in einem Punkte konvergieren." („Analyse der Empfindungen", S. 9 [S. X].) Hier muß erstens das ungewöhnlich aufrichtige Eingeständnis Machs unterstrichen werden, daß nur sehr vereinzelte Naturforscher zu den Anhängern der angeblich „neuen", in Wirk-

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lichkeit aber sehr alten humeistisch-berkeleyanischen Philosophie gehören. Zweitens ist außerordentlich wichtig, daß Mach diese „neue" Philosophie als eine breite Strömung auffaßte, in der die Immanenzphilosophen mit den Empiriokritikern und Positivisten in einer Reihe stehen. „So beginnt", wiederholt Mach im Vorwort zur russischen Übersetzung der „Analyse der Empfindungen" (1906), „eine gemeinsame Bewegung." (S. 4.) „Auch den Vertretern der immanenten Philosophie", sagt Mach an anderer Stelle, „stehe ich recht nahe ... Ich habe in diesem Buche" („Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik" von Schuppe) „kaum etwas gefunden, dem ich nicht, vielleicht mit einer kleinen Modifikation, freudig zustimmen würde." (46 [38].) Schubert-Soldern gehört für Mach auch unter diejenigen, die „recht nahe Wege" gehen (S. 4), und Wilhelm Schuppe widmet er sogar sein letztes und sozusagen zusammenfassendes philosophisches Werk: „Erkenntnis und Irrtum".

Der andere Begründer des Empiriokritizismus, Avenarius, schrieb 1894, daß ihn die dem Empiriokritizismus durch Schuppe gezollte Zustimmung „erfreue" und „ermutige" und daß er die „[Differenz]" zwischen sich und Schuppe als „[vielleicht nur einstweilen noch bestehend]" betrachte.* J. Petzoldt endlich, dessen Lehre W. Lessewitsch für das letzte Wort des Empiriokritizismus hält, proklamiert unumwunden die Dreieinigkeit Schuppe, Mach und Avenarius zu Führern der „neuen" 'Richtung („Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung", Bd. II, 1904, S. 295 und „Das Weltproblem", 1906, S. V und 146). Dabei wendet sich Petzoldt entschieden gegen R. Willy („Einf.", II, 321), wohl den einzigen bekannten Machisten, der sich der Verwandtschaft mit Schuppe schämte und sich prinzipiell von ihm abzugrenzen versuchte, wofür Avenarius' Schüler von seinem teuren Lehrer einen Verweis erhielt. Avenarius schrieb die oben zitierten Worte über Schuppe in seiner Anmerkung zu Willys Abhandlung gegen Schuppe, wobei er hinzufügte, daß Willys Kritik „vielleicht intensiver als gerade nötig ausgefallen ist" („Vierteljahrsschrift f. w. Ph."/ 18. Jahrg., 1894, S. 29; ebenda Willys Abhandlung gegen Schuppe).

Nachdem wir die Bewertung der Immanenzphilosophen durch die Empiriokritiker kennengelernt haben, wollen wir zur Bewertung der Empirio-


* „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie", 1894, 18. Jahrg., Heft I, S. 29.

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kritiker durch die Immanenzphilosophen übergehen. Leclairs Urteil aus dem Jahre 1879 haben wir bereits erwähnt. Schubert-Soldern spricht im Jahre 1882 von seiner „Übereinstimmung" „teilweise mit dem älteren Fichte" (d. h. mit dem berühmten Vertreter des subjektiven Idealismus Johann Gottlieb Fichte, der ein ebenso mißratenes philosophisches Söhnlein hatte wie Josef Dietzgen), dann „mit Schuppe, Leclair, Avenarius und teilweise mit Rehmke", wobei mit besonderem Vergnügen Mach („Erh. d. Arb.") zitiert und gegen die „naturwissenschaftliche Metaphysik"* - so bezeichnen alle reaktionären Dozenten und Professoren in Deutschland den naturwissenschaftlichen Materialismus - ausgespielt wird. W.Schuppe begrüßte 1893, nach dem Erscheinen des „Menschlichen Weltbegriffs" von Avenarius, dieses Werk in dem „Offenen Brief an R. Avenarius" als „die Bestätigung des naiven Realismus", den er, Schuppe, angeblich auch verteidige. „Mein Begriff des Denkens", schrieb Schuppe, „verträgt sich vortrefflich mit Ihrer" (der Avenariusschen) „,reinen Erfahrung'."** Später, im Jahre 1896, hat Schubert-Soldern das Fazit jener „methodologischen Richtung der Philosophie" gezogen, auf die er „Bezug nimmt"; er führt dabei seinen Stammbaum von Berkeley und Hume über F. A. Lange („Von Lange her datiert der eigentliche Anfang unserer Richtung in Deutschland"), ferner Laas, Schuppe und Co., Avenarius und Mach, den Neukantianer Riehl, den Franzosen Ch. Renouvier usw.*** Endlich lesen wir in der programmatischen „Einführung", die in der ersten Nummer der speziellen philosophischen Zeitschrift der Immanenzphilosophen veröffentlicht wurde, neben einer Kriegserklärung an den Materialismus und einer Sympathiekundgebung für Charles Renouvier, folgendes: „Sogar in dem Lager der Naturforscher selbst erheben sich schon die Stimmen vereinzelter Denker, um gegen die wachsende Überhebung ihrer Fachgenossen, gegen den unphilosophischen Geist, der sich der Naturwissenschaften bemächtigt hat, zu predigen. So...


* Dr. Richard von Schubert-Soldern, „über Transzendenz des Objekts und Subjekts", 1882, S. 37 und § 5. Vgl. vom selben Verfasser „Grundlagen einer Erkenntnistheorie", 1884, S. 3.
** „Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie", 17. Jahrg., 1893, S. 384.
*** Dr. Richard von Schubert-Soldern, „Das menschliche Glück und die soziale Frage", 1896, S. V, VI.

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der Physiker Mach... So regen sich allenthalben frische Kräfte und arbeiten daran, den blinden Glauben an die Unfehlbarkeit der Naturwissenschaft zu zerstören, und man beginnt wieder, sich nach anderen Wegen in die Abgründe des Geheimnisses umzusehen, einen besseren Eingang zur Wohnung der Wahrheit zu suchen."*

Ein paar Worte über Ch. Renouvier. Dieser ist das Haupt der in Frankreich einflußreichen und weitverbreiteten Schule der sogenannten Neokritizisten. Seine theoretische Philosophie ist eine Vereinigung des Phänomenalismus Humes mit dem Apriorismus Kants. Das Ding an sich wird entschieden abgelehnt. Der Zusammenhang der Erscheinungen, Ordnung, Gesetz werden für apriorisch erklärt, Gesetz wird mit großen Buchstaben geschrieben und zur Grundlage der Religion gemacht. Die katholischen Pfaffen sind von dieser Philosophie begeistert. Der Machist Willy nennt Renouvier empört einen „zweiten Apostel Paulus", einen „höheren Obskuranten", einen „kasuistischen Lehrer der Willensfreiheit" („Gegen die Schulweisheit", S. 129). Und diese Gesinnungsgenossen der Immanenzphilosophen begrüßen aufs wärmste die Philosophie Machs. Als seine „Mechanik" in französischer Übersetzung erschien, schrieb das Organ der „Neokritizisten", „L'Année Philosophique"82, das von Pillon, einem Mitarbeiter und Schüler Renouviers, herausgegeben wird: „Es ist überflüssig zu bemerken, wie sehr die positive Wissenschaft des Herrn Mach in dieser Kritik der Substanz, des Dinges, des Dinges an sich, mit dem neokritizistischen Idealismus übereinstimmt." (Bd. 15, 1904, p. 179.)

Was die russischen Machisten betrifft, so schämen sie sich alle ihrer Verwandtschaft mit den Immanenzphilosophen - etwas anderes konnte man natürlich von Leuten, die nicht bewußt die Pfade von Struve, Menschikow und Co. einschlugen, auch nicht erwarten. Nur für Basarow sind „einige Vertreter der Immanenzschule" „Realisten"**. Bogdanow erklärt kurz (und faktisch unrichtig), daß „die Immanenzschule nur eine Zwischenform zwischen Kantianismus und Empiriokritizismus" sei („Em-


* „Zeitschrift für immanente Philosophie"81, Bd. I, Berlin 1896, S. 6,9.
** „Die Realisten in der modernen Philosophie - einige Vertreter der Immanenzschule, die aus dem Kantianismus hervorgegangen ist, die Schule von Mach-Avenarius und viele ihnen verwandte Strömungen - finden, daß absolut kein Grund vorhanden ist, den Ausgangspunkt des naiven Realismus abzulehnen." „Beiträge", S. 26.

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piriomonismus", III, XXII). W.Tschernow schreibt: „Überhaupt nähern sich die Immanenzphilosophen nur mit einer Seite ihrer Theorie dem Positivismus, während sie mit anderen Seiten weit über dessen Rahmen hinausgehen." („Philosophische und soziologische Studien", 37.) Walentinow meint, daß „die Immanenzschule diese" (machistischen) „Gedanken in eine unbrauchbare Form gekleidet habe und in die Sackgasse des Solipsismus geraten sei" (l. c., S. 149). Wie man sieht, ist hier alles zu haben, was einem beliebt: Konstitution und Stör mit Meerrettich, Realismus und Solipsismus. Aber die Wahrheit über die Immanenzphilosophen unumwunden und klar auszusprechen, das wagen unsere Machisten nicht.

Die Sache ist nämlich die, daß die Immanenzphilosophen Erzreaktionäre, offene Prediger des Fideismus, vollendete Dunkelmänner sind. Es gibt unter ihnen keinen einzigen, dessen hochtheoretische Arbeiten über die Erkenntnistheorie nicht offen auf die Verteidigung der Religion, auf eine Rechtfertigung dieses oder jenes mittelalterlichen Zeugs hinausliefen. Leclair verteidigt 1879 seine Philosophie damit, daß sie „jedem Anspruch des religiös gestimmten Gemütes" entspreche („Der Realismus etc.", S. 73). J. Rehmke widmet 1880 seine „Erkenntnistheorie" dem protestantischen Pastor Biedermann und predigt am Schluß seines Buches nicht einen übersinnlichen Gott, sondern Gott als „realen Begriff" (wahrscheinlich rechnet Basarow deshalb „einige" Immanenzphilosophen zu den „Realisten"?), wobei „die Verobjektivierung dieses realen Begriffs dem praktischen Leben allein überlassen und gestattet wird"; als Beispiel von „Theologie als Wissenschaft" wird die „Christliche Dogmatik" von Biedermann bezeichnet (J. Rehmke, „Die Welt als Wahrnehmung und Begriff", Berlin 1880, S. 312). Schuppe versichert in der „Zeitschrift für immanente Philosophie", wenn auch die Immanenzphilosophen das Transzendente leugnen, so falle Gott und das künftige Leben gar nicht unter diesen Begriff (II. Band, S. 52). In seiner „Ethik" verteidigt er „den Zusammenhang des Sittengesetzes... mit einer metaphysischen Weltauffassung" und verurteilt die „sinnlose Phrase" von der Trennung von Kirche und Staat (Dr. Wilhelm Schuppe, „Grundzüge der Ethik und Rechtsphilosophie", Breslau 1881, S. 181, 325). Schubert-Soldern schließt in seinen „Grundlagen einer Erkenntnistheorie" auf eine Präexistenz des Ich vor Bestand des eigenen Leibes und eine Postexistenz nach demselben, d. h. auf die Unsterblichkeit der Seele (l. c, S. 82) usw. In seiner „Sozia-

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len Frage" verteidigt er gegen Bebel neben den „sozialen Reformen" das Ständewahlrecht, erklärt, daß „die Sozialdemokraten die Tatsache verkennen, daß es ohne die Gottesgabe des Unglücks kein Glück gäbe" (S. 330) und vergießt dabei Tränen darüber, daß der Materialismus „herrscht" (S. 242): „Wer heute an ein jenseitiges Leben glaubt, auch nur der Möglichkeit nach, der gilt als Narr." (Ib.)

Und eben diese deutschen Menschikow, Obskuranten von nicht geringerer Güte als Renouvier, leben mit den Empiriokritikem in festem Konkubinat. Ihre theoretische Verwandtschaft ist unbestreitbar. Vom Kantianismus haben die Immanenzphilosophen nicht mehr als Petzoldt oder Pearson. Wir haben oben gesehen, daß sie sich selbst als Schüler Humes und Berkeleys bekennen, und diese Einschätzung der Immanenzphilosophen ist in der philosophischen Literatur allgemein anerkannt. Um anschaulich zu zeigen, von welchen erkenntnistheoretischen Annahmen diese Mitstreiter von Mach und Avenarius ausgehen, zitieren wir einige der grundlegenden theoretischen Lehrsätze aus den Werken der Immanenzphilosophen.

Im Jahre 1879 hatte sich Leclair die Bezeichnung „immanent" noch nicht ausgedacht, was eigentlich „erfahrungsmäßig", „in der Erfahrung gegeben" bedeutet und ein ebenso heuchlerisches Aushängeschild zur Verdeckung der Fäulnis ist, wie die Aushängeschilder der europäischen bürgerlichen Parteien heuchlerisch sind. In seinem ersten Werk bezeichnet sich Leclair offen und ohne Umschweife als „kritisdien Idealisten" („Der Realismus etc.", S. 11, 21, 206 u. v. a.). Kant kritisiert er hier, wie wir bereits gesehen haben, wegen seiner Zugeständnisse an den Materialismus, und weist ganz unmißverständlich auf seinen Weg von Kant zu Fichte und Berkeley hin. Gegen den Materialismus überhaupt und gegen die Neigung der meisten Naturforscher zum Materialismus insbesondere führt Leclair einen ebensolchen schonungslosen Kampf wie Schuppe, Schubert-Soldern und Rehmke.

„Kehren wir jedoch auf den Standpunkt des kritischen Idealismus zurück", sagt Leclair, „räumen wir dem Inbegriff der Natur und des Naturgeschehens eine transzendente Existenz" (d. h. eine Existenz außerhalb des menschlichen Bewußtseins) „nicht ein, dann ist für das sehende Subjekt die Gesamtheit der Körper sowie sein eigener Leib, soweit er ihm sicht- und tastbar ist, nebst allen Veränderungen derselben ein unmittel-

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bar gegebenes Phänomen von räumlich angeordneten Koexistenzen und zeitlichen Sukzessionen, und alles Naturerklären beschränkt sich auf die Konstatierung der Gesetze jener Koexistenzen und Sukzessionen/' (21.)

Zurück zu Kant! - riefen die reaktionären Neukantianer. Zurück zu Fichte und Berkeley! - das ist es im Grunde genommen, was die reaktionären Immanenzphilosophen sagen. Für Leclair stellt alles Seiende „Komplexe von Empfindungen" dar (S. 38), wobei die eine Klasse von [Eigenschaften], die auf unsere Sinne wirkt, beispielsweise mit dem Buchstaben M bezeichnet wird und die andere Klasse, die auf andere Naturobjekte wirkt, mit dem Buchstaben N (S. 150 u. a.). Dabei spricht Leclair von der Natur als einem „[Bewußtseinsphänomen]" nicht des einzelnen Menschen, sondern „der menschlichen Gattung" (S. 55/56}. Zieht man in Betracht, daß Leclair sein Buch in Prag herausgegeben hat, eben dort, wo Mach Professor der Physik war, und daß Leclair mit Bewunderung nur Machs 1872 erschienene „Erhaltung der Arbeit" zitiert, so fragt man sich unwillkürlich, ob man nicht den Fidelsten und offenen Idealisten Leclair als den wirklichen Stammvater der „originellen" Philosophie Machs ansehen muß.

Was Schuppe betrifft, der nach den Worten Leclairs* zu den „gleichen Resultaten" gelangt ist, so erhebt er tatsächlich, wie wir bereits gesehen haben, Anspruch darauf, den „naiven Realismus" zu verteidigen. In dem „Offenen Brief an R. Avenarius" beklagt er sich bitter über die „landläufige Verdrehung meiner" (Wilhelm Schuppes) „Erkenntnistheorie in subjektiven Idealismus". Worin der plumpe Schwindel besteht, der von dem Immanenzphilosophen Schuppe für eine Verteidigung des Realismus ausgegeben wird, ist zur Genüge aus folgendem Satz ersichtlich, mit dem er sich gegen Wundt wandte, der ohne Zögern die Immanenzphilosophen unter die Fichteaner, unter die subjektiven Idealisten einreiht („Philosophische Studien", l. c., S. 386, 397, 407).

„Der Satz ,Sein ist Bewußtsein' hat bei mir den Sinn", lautet die Erwiderung Schuppes an Wundt, „daß Bewußtsein ohne die Außenwelt nicht denkbar ist, letztere also zu jenem gehört, d. i. die schon oft von mir behauptete und erklärte absolute [Zusammengehörigkeit] beider, in welcher sie das eine ursprüngliche Ganze des Seins ausmachen."**


* „Beiträge zu einer monistischen Erkenntnistheorie", Breslau 1882, S. 10.
** Wilhelm Schuppe, „Die immanente Philosophie und Wilhelm Wundt" in „Zeitschrift für immanente Philosophie", Band II, S. 195.

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Man muß schon sehr naiv sein, um in einem solchen „Realismus" nicht den waschechten subjektiven Idealismus zu erkennen! Man denke nur: die Außenwelt „gehört zum Bewußtsein" und befindet sich in einer absoluten Zusammengehörigkeit mit ihm! Wahrlich, man hat den armen Professor verleumdet, als man ihn „landläufig" zu den subjektiven Idealisten zählte. Mit der „Prinzipialkoordination" von Avenarius deckt sich diese Philosophie vollständig: kein Vorbehalt und kein Protest Tschernows und Walentinows vermag sie voneinander zu trennen, beide Philosophien werden zusammen in ein Museum für reaktionäre Fabrikate der deutschen Professur kommen. Als Kuriosum, das wieder einmal für den Unverstand des Herrn Walentinow Zeugnis ablegt, bemerken wir, daß er Schuppe als Solipsisten bezeichnet (selbstverständlich schwor Schuppe Stein und Bein, daß er kein Solipsist sei, schrieb spezielle Artikel über dieses Thema, ebenso wie Mach, Petzoldt und Co.), während er von Basarows Aufsatz in den „Beiträgen" außerordentlich begeistert ist! Ich hätte Lust, Basarows Ausspruch: „Die Sinnesvorstellung ist eben die außer uns existierende Wirklichkeit" in deutscher Übersetzung an einen halbwegs vernünftigen Immanenzphilosophen zu schicken. Er würde Basarow in die Arme schließen, genauso wie Schuppe, Leclair und Schubert-Soldern dies mit Mach und Avenarius getan haben. Denn Basarows Ausspruch ist das Alpha und Omega in den Lehren der Immanenzschule.

Und schließlich noch Schubert-Soldern. Der „Materialismus der Naturwissenschaft", die „Metaphysik" der Anerkennung der objektiven Realität der Außenwelt - ist der Hauptfeind dieses Philosophen („Grundlagen einer Erkenntnistheorie", 1884, S. 31 sowie das ganze II. Kapitel: „Die Metaphysik der Naturwissenschaft"). „Die Naturwissenschaft abstrahiert von allen Bewußtseinsbeziehungen" (S. 52) - das sei das Hauptübel (darin aber besteht eben der Materialismus!). Denn es gebe für den Menschen keinen Ausweg aus „Empfindungen, also Bewußtseinsdaten" (S. 33, 34). Allerdings, gesteht Schubert- Soldern im Jahre 1896, ist mein Standpunkt ein erkenntnistbeoretisdher Solipsismus („Soziale Frage", S. X), aber kein „metaphysischer" und kein „praktischer". „Was uns unmittelbar gegeben ist, sind Empfindungen, Komplexe stets wechselnder Empfindungen." („über Transz. usw.", S. 73.)

„Diesen materiellen Produktionsprozeß", sagt Schubert-Soldern, „hat Marx in gleicher (und gleich falscher) Weise zur Ursache der innern Vor-

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gange und Motive gemacht, wie die Naturwissenschaft die" (für die Menschheit) „gemeinsame Außenwelt zur Ursache der individuellen Innenwelten." („Soz. Fr.", S. XVIII.) Daß der historische Materialismus von Marx mit dem naturwissenschaftlichen Materialismus und dem philosophischen Materialismus überhaupt im Zusammenhang steht, das zu bezweifeln fällt diesem Mitkämpfer Machs gar nicht ein.

„Viele, ja die meisten werden der Ansicht sein, daß von erkenntnistheoretisch-solipsistischem Standpunkt keine Metaphysik möglich, d. h. daß Metaphysik immer transzendent sei. Nach reiflicher Überlegung kann ich mich dieser Ansicht nicht anschließen. Hier folgen meine Gründe ... Die unmittelbare Grundlage alles Gegebenen ist der geistige (solipsistische) Zusammenhang, dessen Mittelpunkt das individuelle Ich (die individuelle Vorstellungswelt) mit seinem Leibe bildet. Es ist weder die übrige Welt ohne dieses Ich noch dieses Ich ohne die übrige Welt denkbar: mit Vernichtung des individuellen Ich zerstiebt auch die Welt in Nichts, was unmöglich erscheint, mit der Vernichtung der übrigen Welt bleibt auch für mein individuelles Ich nichts übrig, da es nicht räumlich und zeitlich, sondern nur begrifflich von ihr geschieden werden kann. Daher muß mein individuelles Ich auch nach meinem Tode fortdauern, soll nicht mit ihm die ganze Welt vernichtet sein ..." (Ebenda, S. XXIII.)

„Prinzipialkoordination", „Empfindungskomplexe" und die sonstigen machistischen Plattheiten leisten gehörigen Ortes treue Dienste!

„Was ist denn [das Jenseits] vom solipsistischen Standpunkt aus? Es ist nur eine mögliche Erfahrung der Zukunft für mich ..." (Ibid.) „Der Spiritismus ... wäre verpflichtet, den Nachweis einer Existenz des [Jenseits]... zu führen... Keinesfalls kann aber der Materialismus der Naturwissenschaft gegen ihn zu Felde geführt werden, denn dieser Materialismus ist, wie wir gesehen haben, nur eine Seite des Weltprozesses innerhalb" (der „Prinzipialkoordination" =) „des allumfassenden geistigen Zusammenhanges." (S. XXIV.)

All das wird in derselben philosophischen Einleitung zur „Sozialen Frage" (1896) ausgeführt, in der Schubert-Soldern die ganze Zeit Arm in Arm mit Mach und Avenarius einhergeht. Nur bei einer Handvoll Machisten in Rußland dient der Machismus ausschließlich dem Intellektuellengeschwätz, in seiner Heimat aber wird seine Lakaienrolle gegenüber dem Fideismus offen proklamiert!



Datum der letzten Änderung : Jena, den: 25.01.2013