Zweiter Abschnitt | Inhalt | Zweites Buch TRANSZENDENTALE ANALYTIK

DIE DEDUKTION
DER REINEN VERSTANDESBEGRIFFE

Dritter Abschnitt Vom Verhältnis des Verstandes zu Gegenständen überhaupt
und der Möglichkeit, diese a priori zu erkennen

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Was wir im vorigen Abschnitt abgesondert und einzeln vortrugen, wollen wir jetzt vereinigt und im Zusammenhang vorstellen. Es sind drei subjektive Erkenntnisquellen, worauf die Möglichkeit einer Erfahrung überhaupt und die Erkenntnis der Gegenstände derselben beruht: Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption; jede derselben kann als empirisch, nämlich in der Anwendung auf gegebene Erscheinungen, betrachtet werden, alle aber sind auch Elemente oder Grundlagen a priori, welche selbst diesen empirischen Gebrauch möglich machen. Der Sinn stellt die Erscheinungen empirisch in der Wahrnehmung vor, die Einbildungskraft in der Assoziation (und Reproduktion), die Apperzeption in dem empirischen Bewußtsein der Identität dieser reproduktiven Vorstellungen mit den Erscheinungen, dadurch sie gegeben waren, mithin in der Rekognition.

Es liegt aber der sämtlichen Wahrnehmung die reine Anschauung (in Ansehung ihrer als Vorstellungen die Form der inneren Anschauung, die Zeit), der Assoziation die reine Synthesis der Einbildungskraft und dem empirischen Bewußtsein die reine Apperzeption, d. i. die durchgängige Identität seiner Selbst bei allen möglichen Vorstellungen a priori zugrunde.

Wollen wir nun den inneren Grund dieser Verknüpfung der Vorstellung bis auf denjenigen Punkt verfolgen, in welchem sie alle zusammenlaufen müssen, um darin allererst Einheit der Erkenntnis zu einer möglichen Erfahrung zu bekommen, so müssen wir von der reinen Apperzeption anfangen. Alle Anschauungen sind für uns nichts und gehen uns nicht im mindesten etwas an, wenn sie nicht ins Bewußtsein aufgenommen werden können, sie mögen nun direkt oder indirekt darauf einfließen, und nur durch dieses allein ist Erkenntnis möglich. Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer Selbst in Ansehung aller Vorstellungen, die zu unserer Erkenntnis jemals gehören können, bewußt als einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellungen (weil diese in mir doch nur dadurch etwas vorstel-

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len, daß sie mit allem ändern zu einem Bewußtsein gehören, mithin darin wenigstens müssen verknüpft werden können). Dies Prinzip steht a priori fest und kann das transzendentale Prinzip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer Vorstellungen (mithin auch in der Anschauung) heißen. Nun ist die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subjekt synthetisch; also gibt die reine Apperzeption ein Principium der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in aller möglichen Anschauung an die Hand7.

Diese synthetische Einheit setzt aber eine Synthesis voraus oder schließt sie ein, und soll jene a priori notwendig sein, so muß letztere auch eine Synthesis a priori sein. Also bezieht sich die transzendentale Einheit der Apperzeption auf die reine Synthesis der Einbildungskraft als eine Bedingung a priori der Möglichkeit aller Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer Erkenntnis. Es kann aber nur die produktive Synthesis der Einbildungskraft a priori stattfinden; denn die reproduktive beruht auf Bedingungen der Erfahrung. Also ist das Principium der notwendigen Einheit der reinen (produktiven) Synthesis der Einbildungskraft vor der Apperzeption der Grund der Möglichkeit aller Erkenntnis, besonders der Erfahrung.

Nun nennen wir die Synthesis des Mannigfaltigen in der Einbildungskraft transzendental, wenn ohne Unterschied der Anschauungen sie auf nichts als bloß auf die Verbindung des Mannigfaltigen a priori geht, und die Einheit dieser Synthesis heißt transzendental, wenn sie in Beziehung auf die ursprüngliche Einheit der Apperzeption als a priori notwendig vorgestellt wird. Da diese letztere nun der Möglichkeit aller Erkenntnisse zugrunde liegt, so ist die transzendentale Einheit der Synthesis der Einbildungskraft die reine Form aller möglichen Erkenntnis, durch welche mithin alle Gegenstände möglicher Erfahrung a priori vorgestellt werden müssen.

Die Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand, und ebendieselbe Einheit beziehungsweise auf die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft der reine Verstand. Also sind im Verstand reine Erkenntnisse a priori, welche die notwendige Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft in Ansehung aller möglichen Erscheinungen enthalten. Dieses sind aber die Kategorien, d. i. reine Verstandesbegriffe, folglich enthält die empirische Erkenntniskraft des Menschen notwendig einen Verstand, der sich auf alle Gegenstände der Sinne, obgleich nur vermittels der Anschauung

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und der Synthesis derselben durch Einbildungskraft bezieht, unter welchen also alle Erscheinungen als Data zu einer möglichen Erfahrung stehen. Da nun diese Beziehung der Erscheinungen auf mögliche Erfahrung ebenfalls notwendig ist (weil wir ohne diese gar keine Erkenntnis durch sie bekommen würden und sie uns mithin gar nichts angingen), so folgt, daß der reine Verstand vermittels der Kategorien ein formales und synthetisches Principium aller Erfahrungen sei und die Erscheinungen eine notwendige Beziehung auf den Verstand haben.

Jetzt wollen wir den notwendigen Zusammenhang des Verstandes mit den Erscheinungen vermittels der Kategorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nämlich dem Empirischen, anfangen. Das erste, was uns gegeben wird, ist Erscheinung, welche, wenn sie mit Bewußtsein verbunden ist, Wahrnehmung heißt (ohne das Verhältnis zu einem wenigstens möglichen Bewußtsein würde Erscheinung für uns niemals ein Gegenstand der Erkenntnis werden können und also für uns nichts sein, und weil sie an sich selbst keine objektive Realität hat und nur in der Erkenntnis existiert, überall nichts sein). Weil aber jede Erscheinung ein Mannigfaltiges enthält, mithin verschiedene Wahrnehmungen im Gemüt an sich zerstreut und einzeln angetroffen werden, so ist eine Verbindung derselben nötig, welche sie in dem Sinne selbst nicht haben können. Es ist also in uns ein tätiges Vermögen der Synthesis dieses Mannigfaltigen, welches wir Einbildungskraft nennen und deren unmittelbar an den Wahrnehmungen ausgeübte Handlung ich Apprehension nenne8. Die Einbildungskraft soll nämlich das Mannigfaltige der Anschauung in ein Bild bringen; vorher muß sie also die Eindrücke in ihre Tätigkeit aufnehmen, d. i. apprehendieren.

Es ist aber klar, daß selbst diese Apprehension des Mannigfaltigen allein noch kein Bild und keinen Zusammenhang der Eindrücke hervorbringen würde, wenn nicht ein subjektiver Grund da wäre, eine Wahrnehmung, von welcher das Gemüt zu einer anderen übergegangen, zu den nachfolgenden herüberzurufen und so ganze Reihen derselben darzustellen, d. i. ein reproduktives Vermögen der Einbildungskraft, welches denn auch nur empirisch ist.

Weil aber, wenn Vorstellungen, so wie sie zusammengeraten, einander ohne Unterschied reproduzierten, wiederum kein bestimmter Zusammenhang derselben, sondern bloß regellose Hau-

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fen derselben, mithin gar keine Erkenntnis entspringen würde, so muß die Reproduktion derselben eine Regel haben, nach welcher eine Vorstellung vielmehr mit dieser als einer ändern in der Einbildungskraft in Verbindung tritt. Diesen subjektiven und empirischen Grund der Reproduktion nach Regeln nennt man die Assoziation der Vorstellungen.

Würde nun aber diese Einheit der Assoziation nicht auch einen objektiven Grund haben, so daß es unmöglich wäre, daß Erscheinungen von der Einbildungskraft anders apprehendiert würden als unter der Bedingung einer möglichen synthetischen Einheit dieser Apprehension, so würde es auch etwas ganz Zufälliges sein, daß sich Erscheinungen in einen Zusammenhang der menschlichen Erkenntnisse schickten. Denn ob wir gleich das Vermögen hätten, Wahrnehmungen zu assoziieren, so bliebe es doch an sich ganz unbestimmt und zufällig, ob sie auch assoziabel wären; und in dem Fall, daß sie es nicht wären, so würde eine Menge Wahrnehmungen und auch wohl eine ganze Sinnlichkeit möglich sein, in welcher viel empirisch es Bewußtsein in meinem Gemüt anzutreffen wäre, aber getrennt und ohne daß es zu einem Bewußtsein meiner Selbst gehörte, welches aber unmöglich ist. Denn nur dadurch, daß ich alle Wahrnehmungen zu einem Bewußtsein (der ursprünglichen Apperzeption) zähle, kann ich bei allen Wahrnehmungen sagen, daß ich mir ihrer bewußt sei. Es muß also ein objektiver, d.i. vor allen empirischen Gesetzen der Einbildungskraft a priori einzusehender Grund sein, worauf die Möglichkeit, ja sogar die Notwendigkeit eines durch alle Erscheinungen sich erstreckenden Gesetzes beruht, sie nämlich durchgängig als solche Data der Sinne anzusehen, welche an sich assoziabel und allgemeinen Regeln einer durchgängigen Verknüpfung in der Reproduktion unterworfen sind. Diesen objektiven Grund aller Assoziation der Erscheinungen nenne ich die Affinität derselben. Diesen können wir aber nirgends anders als in dem Grundsatz von der Einheit der Apperzeption in Ansehung aller Erkenntnisse, die mir angehören sollen, antreffen. Nach diesem müssen durchaus alle Erscheinungen so ins Gemüt kommen oder apprehendiert werden, daß sie zur Einheit der Apperzeption zusammenstimmen, welches, ohne synthetische Einheit in ihrer Verknüpfung, die mithin auch objektiv notwendig ist, unmöglich sein würde.

Die objektive Einheit alles (empirischen) Bewußtseins in einem Bewußtsein (der ursprünglichen Apperzeption) ist also die notwendige Bedingung sogar aller möglichen Wahrnehmung, und

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die Affinität aller Erscheinungen (nahe oder entfernte) ist eine notwendige Folge einer Synthesis in der Einbildungskraft, die a priori auf Regeln gegründet ist.

Die Einbildungskraft ist also auch ein Vermögen einer Synthesis a priori, weswegen wir ihr den Namen der produktiven Einbildungskraft geben, und sofern sie in Ansehung alles Mannigfaltigen der Erscheinung nichts weiter als die notwendige Einheit in der Synthesis derselben zu ihrer Absicht hat, kann diese die transzendentale Funktion der Einbildungskraft genannt werden. Es ist daher zwar befremdlich, allein aus dem Bisherigen noch einleuchtend, daß nur vermittels dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft sogar die Affinität der Erscheinungen, mit ihr die Assoziation und durch diese endlich die Reproduktion nach Gesetzen, folglich die Erfahrung selbst möglich werde, weil ohne sie gar keine Begriffe von Gegenständen in eine Erfahrung zusammenfließen würden.

Denn das stehende und bleibende Ich (der reinen Apperzeption) macht das Korrelat aller unserer Vorstellungen aus, sofern es bloß möglich ist, sich ihrer bewußt zu werden, und alles Bewußtsein gehört ebensowohl zu einer allbefassenden reinen Apperzeption wie alle sinnliche Anschauung als Vorstellung zu einer reinen Innern Anschauung, nämlich der Zeit. Diese Apperzeption ist es nun, welche zu der reinen Einbildungskraft hinzukommen muß, um ihre Funktion intellektuell zu machen. Denn an sich selbst ist die Synthesis der Einbildungskraft, obgleich a priori ausgeübt, dennoch jederzeit sinnlich, weil sie das Mannigfaltige nur so verbindet, wie es in der Anschauung erscheint, z. B. die Gestalt eines Dreiecks. Durch das Verhältnis des Mannigfaltigen aber zur Einheit der Apperzeption werden Begriffe, welche dem Verstand angehören, aber nur vermittels der Einbildungskraft in Beziehung auf die sinnliche Anschauung zustande kommen können.

Wir haben also eine reine Einbildungskraft als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkenntnis a priori zugrunde liegt. Vermittels deren bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits mit der Bedingung der notwendigen Einheit der reinen Apperzeption andererseits in Verbindung. Beide äußersten Enden, nämlich Sinnlichkeit und Verstand, müssen vermittels dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft notwendig zusammenhängen, weil jene sonst zwar Erscheinungen, aber keine Gegenstände eines empirischen Erkenntnisses,

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mithin keine Erfahrung geben würden. Die wirkliche Erfahrung, welche aus der Apprehension, der Assoziation (der Reproduktion), endlich der Rekognition der Erscheinungen besteht, enthält in der letzteren und höchsten (der bloß empirischen Elemente der Erfahrung) Begriffe, welche die formale Einheit der Erfahrung und mit ihr alle objektive Gültigkeit (Wahrheit) der empirischen Erkenntnis möglich machen. Diese Gründe der Rekognition des Mannigfaltigen, sofern sie bloß die Form einer Erfahrung überhaupt angehen, sind nun jene Kategorien. Auf ihnen gründet sich also alle formale Einheit in der Synthesis der Einbildungskraft und vermittels dieser auch alles empirischen Gebrauchs derselben (in der Rekognition, Reproduktion, Assoziation, Apprehension) bis herunter zu den Erscheinungen, weil diese, nur vermittels jener Elemente der Erkenntnis überhaupt unserem Bewußtsein, mithin uns selbst, angehören können.

Die Ordnung und Regelmäßigkeit also an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt. Denn diese Natureinheit soll eine notwendige, d. i. a priori gewisse Einheit der Verknüpfung der Erscheinungen sein. Wie sollten wir aber wohl a priori eine synthetische Einheit auf die Bahn bringen können, wären nicht in den ursprünglichen Erkenntnisquellen unseres Gemüts subjektive Gründe solcher Einheit a priori enthalten und wären diese subjektiven Bedingungen nicht zugleich objektiv gültig, indem sie die Gründe der Möglichkeit sind, überhaupt ein Objekt in der Erfahrung zu erkennen.

Wir haben den Verstand oben auf mancherlei Weise erklärt: durch eine Spontaneität der Erkenntnis (im Gegensatz der Rezeptivität der Sinnlichkeit), durch ein Vermögen zu denken oder auch ein Vermögen der Begriffe oder auch der Urteile, welche Erklärungen, wenn man sie beim Lichten besieht, auf eins hinauslaufen. Jetzt können wir ihn als das Vermögen der Regeln charakterisieren. Dieses Kennzeichen ist fruchtbarer und tritt dem Wesen desselben näher. Sinnlichkeit gibt uns Formen (der Anschauung), der Verstand aber Regeln. Dieser ist jederzeit geschäftig, die Erscheinungen in der Absicht durchzuspähen, um an ihnen irgendeine Regel aufzufinden. Regeln, sofern sie objektiv sind (mithin der Erkenntnis des Gegenstandes notwendig anhängen), heißen Gesetze. Obgleich wir durch Erfahrung viele Gesetze lernen, so sind diese doch nur besondere Bestimmungen noch hö-

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herer Gesetze, unter denen die höchsten (unter welchen alle anderen stehen) a priori aus dem Verstand selbst herkommen und nicht von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen. Es ist also der Verstand nicht bloß ein Vermögen, durch Vergleichung der Erscheinungen sich Regeln zu machen, er ist selbst die Gesetzgebung für die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d. i. synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Erscheinungen nach Regeln geben; denn Erscheinungen können als solche nicht außer uns stattfinden, sondern existieren nur in unserer Sinnlichkeit. Diese aber, als Gegenstand der Erkenntnis in einer Erfahrung, mit allem, was sie enthalten mag, ist nur in der Einheit der Apperzeption möglich. Die Einheit der Apperzeption aber ist der transzendentale Grund der notwendigen Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen in einer Erfahrung. Ebendieselbe Einheit der Apperzeption in Ansehung eines Mannigfaltigen von Vorstellungen (es nämlich aus einer einzigen zu bestimmen) ist die Regel und das Vermögen dieser Regeln der Verstand. Alle Erscheinungen liegen also als mögliche Erfahrungen ebenso a priori im Verstand und erhalten ihre formale Möglichkeit von ihm, wie sie als bloße Anschauungen in der Sinnlichkeit liegen und durch dieselbe der Form nach allein möglich sind.

So übertrieben, so widersinnig es also auch lautet, zu sagen, der Verstand ist selbst der Quell der Gesetze der Natur und mithin der formalen Einheit der Natur, so richtig und dem Gegenstand, nämlich der Erfahrung, angemessen ist gleichwohl eine solche Behauptung. Zwar können empirische Gesetze als solche ihren Ursprung keineswegs vom reinen Verstand herleiten, sowenig als die unermeßliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus der reinen Form der sinnlichen Anschauung hinlänglich begriffen werden kann. Aber alle empirischen Gesetze sind nur besondere Bestimmungen der reinen Gesetze des Verstandes, unter welchen und nach deren Norm jene allererst möglich sind und die Erscheinungen eine gesetzliche Form annehmen, sowie auch alle Erscheinungen, unerachtet der Verschiedenheit ihrer empirischen Form, dennoch jederzeit den Bedingungen der reinen Form der Sinnlichkeit gemäß sein müssen.

Der reine Verstand ist also in den Kategorien das Gesetz der synthetischen Einheit aller Erscheinungen und macht dadurch Erfahrung ihrer Form nach allererst und ursprünglich möglich. Mehr

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aber hatten wir in der transzendentalen Deduktion der Kategorien nicht zu leisten, als dieses Verhältnis des Verstandes zur Sinnlichkeit und vermittels derselben zu allen Gegenständen der Erfahrung, mithin die objektive Gültigkeit seiner reinen Begriffe a priori begreiflich zu machen und dadurch ihren Ursprung und ihre Wahrheit festzusetzen.

Summarische Vorstellung der Richtigkeit und einzige Möglichkeit dieser Deduktion der reinen Verstandesbegriffe

Wären die Gegenstände, womit unsere Erkenntnis zu tun hat, Dinge an sich selbst, so würden wir von diesen gar keine Begriffe a priori haben können. Denn woher sollten wir sie nehmen? Nehmen wir sie vom Objekt (ohne hier noch einmal zu untersuchen, wie dieses uns bekannt werden könnte), so wären unsere Begriffe bloß empirisch und keine Begriffe a priori. Nehmen wir sie aus uns selbst, so kann das, was bloß in uns ist, die Beschaffenheit eines von unsern Vorstellungen unterschiedenen Gegenstandes nicht bestimmen, d. i. ein Grund sein, warum es ein Ding geben solle, dem so etwas, als wir in Gedanken haben, zukomme, und nicht vielmehr alle diese Vorstellung leer sei. Dagegen, wenn wir es überall nur mit Erscheinungen zu tun haben, so ist es nicht allein möglich, sondern auch notwendig, daß gewisse Begriffe a priori vor der empirischen Erkenntnis der Gegenstände vorhergehen. Denn als Erscheinungen machen sie einen Gegenstand aus, der bloß in uns ist, weil eine bloße Modifikation unserer Sinnlichkeit außer uns gar nicht getroffen wird. Nun drückt selbst diese Vorstellung, daß alle diese Erscheinungen, mithin alle Gegenstände, womit wir uns beschäftigen können, insgesamt in mir, d. i. Bestimmungen meines identischen Selbst sind, eine durchgängige Einheit derselben in ein und derselben Apperzeption als notwendig aus. In dieser Einheit des möglichen Bewußtseins aber besteht auch die Form aller Erkenntnis der Gegenstände (wodurch das Mannigfaltige, als zu Einem Objekt gehörig, gedacht wird). Also geht die Art, wie das Mannigfaltige der sinnlichen Vorstellung (Anschauung) zu einem Bewußtsein gehört, vor aller Erkenntnis des Gegenstands als die intellektuelle Form derselben vorher und macht selbst eine formale Erkenntnis aller Gegenstände a priori überhaupt aus, sofern sie gedacht werden (Kategorien). Die Synthesis derselben durch die reine Einbildungskraft, die Einheit aller Vorstellungen in Be-

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ziehung auf die ursprüngliche Apperzeption gehen aller empirischen Erkenntnis vor. Reine Verstandesbegriffe sind also nur darum a priori möglich, ja gar in Beziehung auf Erfahrung notwendig, weil unser Erkenntnis mit nichts als Erscheinungen zu tun hat, deren Möglichkeit in uns selbst liegt, deren Verknüpfung und Einheit (in der Vorstellung eines Gegenstands) bloß in uns angetroffen wird, mithin vor aller Erfahrung vorhergehen und diese der Form nach auch allererst möglich machen muß. Und aus diesem Grunde, dem einzig möglichen unter allen, ist dann auch unsere Deduktion der Kategorien geführt worden.




Datum der letzten Änderung : Jena, den : 19.10. 2014